Trotz Eklat: Beim Kirchentag in Berlin bereichernde Zeit verbracht

thumb_1a-kt172405maxgiesinger_becrima-thumb_1a-kt172405bwbigbandgm_co-becrima-BERLIN/RHEIN-LAHN. (29. Mai 2017) Mit einigen überraschenden und noch mehr positiven Eindrücken, Denkanstößen und guter Laune sind die fast 200 Teilnehmenden aus dem Dekanat Nassauer Land vom Deutschen Evangelischen Kirchentag in Berlin zurückgekehrt. Nicht nur evangelische, auch katholische und muslimische Besucher aus dem Kreisgebiet sammelten bereichernde Erinnerungen. Deshalb soll 2019 auch Dortmund als nächster Austragungsort Ziel einer Gemeinschaftsfahrt werden.

Keine Frage: Berlin ist immer eine Reise wert. So trafen sich dort nicht nur thumb_1a-kt172705breitscheid_becrima-Kirchentagsbesucher, sondern weil die Welt ein Dorf ist, kam es auch zu manch überraschenden Begegnungen mit Fußball-Fans aus der Heimat oder Ausflüglern, die die freien Tage für einen Trip in die Hauptstadt nutzten. Anja Beeres, Vorsitzende des evangelischen Dekanats Nassauer Land, sagt, warum sie die Gemeinschaftsfahrten für wichtig hält und sicher auch in zwei Jahren beim Kirchentag in Dortmund wieder anbieten wird, wenn sich genügend Interessenten finden: „So wenig bequem es auch sein mag in so einem Gemeinschaftsquartier – es ist ein schönes thumb_1a-kt172605michalkebeeres_becrima-Miteinander und Wir-Gefühl, das sich bei solch einer Fahrt entwickelt und erlebbar wird“. Die vielen Begegnungen seien eine Bereicherung für den jetzt wieder beginnenden Alltag, erklärte Beeres am Stand des ehemaligen Kauber Pfarrers Urs Michalke, der dort die evangelisch-lutherische Kirche in Italien vertrat.

Abgesehen vom vielfältigen Angebot an Kultur, spannenden Bibelarbeiten und thematischen Diskussionen mit hochrangigen Theologen und Persönlichkeiten trage Kirchentag dazu bei, thumb_1a-kt172605buecher0_becrima-sich zu vergewissern, „was und dass ich glauben kann“. Was ihr in diesen Zeiten sehr gefallen hat: dass die Geschichte der Hagar, aus der die Losung des Kirchentags „Du siehst mich“ (1. Mose 16,13) stammt, sowohl im Neuen Testament der Bibel als auch im Koran aufgegriffen wird. „Vor allem macht der Kirchentag deutlich, dass sich erfülltes Leben nicht nur um sich selbst dreht, sondern immer im Bezug zu unseren Mitmenschen steht.“

Außergewöhnliche und inspirierende Begegnungen gab es zuhauf, etwa die mit Fulbert Steffensky im Berliner Dom. Die Bibelarbeit des 83-jährigen Theologen, einst Mönch im Kloster Maria Laach, bevor er zur evangelischen Kirche konvertierte und Dorothee Sölle heiratete, ließen sich einige Rhein-Lahner nicht entgehen. „Das sind Gedanken und Impulse, die sind einfach überragend“, erzählen Jutta und Ulrich Werner aus Miehlen.

thumb_1a-kt172605ychoch_becrima-thumb_1a-kt172405giesinger2_co-becrima-Musikalisches Abschalten gab es jede Menge und für jeden Geschmack wie etwa die Wyse Guys, Viva Voce, Yvonne Catterfeld oder Jazz-Musiker Michael Wollny. Gleichzeitig waren da jeden Abend mehrere Plätze bestens mit Zuhörern gefüllt. Wolfgang Riehl aus Nassau krönte seinen Kirchentagsbesuch auf dem Gendarmenmarkt bei einem Solidaritätskonzert unter dem Titel „Musik kennt keine Grenzen“ der Berliner Philharmonikern mit Sir Simon Rattle am Pult, nachdem er zuvor unter anderem eine Diskussion über Glaubwürdigkeit mit Martin Schulz interessiert verfolgt hatte. „Ein tolles Erlebnis“, so der Katholik und Kommunalpolitiker, der am gleichen Ort noch die letzte Viertelstunde des DFB-Pokal-Finales verfolgte.

Für eine spannend-fröhliche Partie zwischen der Borussia Dortmund und der Eintracht Frankfurt sowie für Fairness auf und neben dem Rasen hatten sich thumb_1a-kt172705dfb-jung_becrima-am Vormittag die Sportbeauftragten von EKD und Bischofskonferenz, EKHN-Kirchenpräsident Volker Jung und Weihbischof Jörg Michael Peters, Fanclub- und Polizei-Vertreter sowie DFB-Präsident Reinhard Grindel stark gemacht. Vor allem der Polizeivertreter Siegfried-Peter thumb_1a-kt172705-grindel_becrima-Wulff sprach vielen Gottesdienstbesuchern aus dem Herzen, als er fragte: „Warum bekommt man für ein Transparent so viel mehr Aufmerksamkeit anstatt für eine Veranstaltung wie diese hier?“. 70.000 Fans wollten ein friedliches, faires und schönes Fußballfest erleben, nur 1000 davon könnten problematisch werden. Und Reinhard Grindel sagte: „Wir wollen, dass Kinder in die Stadien gehen und nicht die Gewalttäter!“ thumb_1a-kt172705-gebet_becrima-Jung mahnte in seiner Predigt, dass Geld zu den großen Versuchungen im Fußball gehöre und dass es manchem Spieler und Verantwortlichen sicher gut täte, nicht nur aufs große Geld zu schauen. Jung weiter: „Menschen geht das Herz auf, wenn sie spüren: Hier geht es jetzt nicht ums Geld oder darum, um jeden Preis gewinnen zu wollen. Hier geht es um die Freude am Sport oder um Fairness und Gemeinschaft.“ 

Apropos Transparent und Aufmerksamkeit und weil es ein Vorfall war, der am häufigsten von den Reisenden aus dem Rhein-Lahn-Kreis angesprochen wurde: Ein Negativ-Highlight für Beeres und andere Teilnehmer aus dem Kreisgebiet, die in der Gedächtniskithumb_1a-gottesgoere-foto-uliwernerrche einen Bitt-Gottesdienst für den Frieden mit Militärbischof Sigurd Rink und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen miterleben wollten, war der nicht geplante Auftritt von Friedensaktivistinnen, die sich von der Empore abseilten. Ulrich Werner war auch dabei und schoss neben stehendes Foto. Zugleich zeigte sich in der Abseil-Aktion der „Gören Gottes“, wie sich die beiden jungen Damen nannten, die politische Dimension des Kirchentages. „Ich hab nur ein hysterisches Schreien von den zwei Frauen wahrgenommen, aber sie kaum wörtlich verstanden“, schildert Volker Hausen aus Dachsenhausen. Auf einem Banner hieß es „Keine Kampfdrohnen für die Bundeswehr“. Souverän habe die Ministerin reagiert, als sie die Aktivistinnen bat, sich mit dem Plakat hinter thumb_1a-kt172705dreyer_becrima-sie zu stellen, um den Gottesdienst nicht zu stören. Freiheit sei, auch so etwas auszuhalten, und die Bundeswehr stehe dafür ein, „dass ihr hier gegen uns sein könnt“. Die Besucher animierte der Auftritt zum Kanon „Dona nobis pacem“. Transparent-Träger, die vor einer Überfremdung der Gesellschaft warnten, tauchten unerwartet bei einer Diskussion mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer über gelingende Integration auf. Dreyer sah hier den Staat in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass gute Bildung allen Kindern zugänglich sein müsse, ungeachtet ihrer Herkunft und des Finanzbeutels ihrer Eltern. Schon in einer Bibelarbeit hatte Dreyer vor einer Neiddebatte gewarnt und erklärt, dass gerade die Schwachen einen starken Staat brauchen.

Zum ersten Mal in Berlin waren drei junge Flüchtlinge aus Afghanistan, die Stefanie Römer und ihr Mann von der Evangelischen Gemeinschaft in Katzenenbogen zum Kirchentag mitgenommen hatten. Die jungen Frauen im Alter zwischen 14 und 19 Jahren waren vor allem von der Kulisse beim Eröffnungsgottesdienst vor dem Reichstag beeindruckt. In ebenso guter Erinnerung bleibt ihnen ein Gospelkonzert unter freiem Himmel mit Chris Lass.

thumb_1a-kt172805godi_co-becrima-Auf den Abschluss-Gottesdienst in Wittenberg verzichteten die mit dem großen Bus angereisten Gäste aus dem evangelischen Dekanat Nassauer Land. Angesichts der brütenden Hitze und einer langen Fußstrecke auf Asphalt zu der Festwiese an der Elbe war das vielleicht auch nicht die schlechteste Alternative. Außerdem thumb_1a-kt172805busimstau_becrima-nutzten bereits am Samstag einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Rhein-Lahn-Kreis den Shuttle-Service per Bahn, um von Berlin aus einen Abstecher in die Lutherstadt zu machen und dort unter anderem die Lichtkirche und den Segenroboter der EKHN zu begutachten. „Mir ist der persönliche Segen dann doch lieber“, meinte Sigrid Dressler aus Miehlen. Auch so thumb_1a-kt172805ponton_becrima-brauchte der Bus am Sonntag aufgrund vieler und langer Staus rund 12 Stunden, bis er wieder in Nassau gelandet war.

Auf den Elbwiesen, die zeitweise über eine von THW und Bundeswehr gebaute Brücke zu erreichen waren, predigte südafrikanische Erzbischof Thabo Makgoba. Er bezeichnete die Reformation Martin Luthers als „mehr als einen theologischen Wendepunkt." Sie sei ethumb_1a-kt172805schals_becrima-in „definierender Moment in unserer soziologischen und politischen Entwicklung“ gewesen und biete die Möglichkeit ein „inspirierendes GPS, ein globales Positionierungssystem für die nächsten 500 Jahre“ zu werden. und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lobte noch einmal das Engagement evangelischer und katholischer Christen.

Damit die Reise keine Eintagsfliege bleibt, will Matthias Metzmacher, Pfarrer für gesellschaftliche Verantwortung im Dekanat, das Thema des Kirchentags in der Region noch einmal aufgreifen. „Es wäre schade, wenn die vielen Impulse einfach verhallen“, so der Theologe. „Dazu sind dann nicht nur die Mitreisenden eingeladen.“ Bernd-Christoph Matern

Einen Bericht über die ersten beiden Tage in Berlin sowie einen Beitrag der SWR-Landesschau von der Ankunft junger Leute aus dem Rhein-Lahn-Kreis in Berlin finden Sie hier .

Eindrücke von den Eröffnungsgottesdiensten und dem Abend der Begegnung finden Sie hier .  

Mehr Berichte über den Kirchentag bietet die Kirchentags-Website .  

Einen filmischen Eindruck vom Kirchentag finden Sie hier

Zu den Fotos:
Für Anja Beeres, Vorsitzende des Dekanats Nassauer Land (auf dem Foto oben rechts mit Pfarrer Urs Michalke), bot die Gemeinschaftsfahrt zum Kirchentag auf einmalig vielfältige Weise die Chance, bereichernde Impulse für das Leben mit nach Hause zu nehmen.

thumb_1a-kt172705anstehendfb_becrima-Anstehen gehört zu Kirchentagen dazu: Diese Teilnehmer aus dem Rhein-Lahn-Kreis warten auf den Einlass zum DFB-Finale-Gottesdienst und hatten Glück; Hunderte anderer Interessenten kamen nicht mehr in die Kirche.

 

 

thumb_1a-kt172705breitsgedenken_becrima-Fußball-Fans bekundeten mit ihren Schals ihr Mitgefühl für die Menschen, die am Breitscheidplatz bei einem Terroranschlag währends des Weihnachtsmarktes ermordet wurden. Der Platz ist traditioneller Treffpunkt der Dortmund-Anhänger.

 

 

thumb_1a-kt172605blaesergruppe_becrima-Mit Instrumenten waren Vertreter der Posaunenchöre Dausenau und Dachsenhausen nach Berlin gereist und gaben Kleinkonzerte in der Stadt. Fotos: Bernd-Christoph Matern