200-Jahr-Feier: Nassauer stolz auf erste Union evangelischer Christen

thumb_1a-200nu110817schadvh_becrima-thumb_1a-200nu110817standingo_becrima-IDSTEIN/RHEIN-LAHN. (14. August 2017) Dass 300 Jahre nach Einführung der Reformation die bis aufs Blut zerstrittenen evangelischen Konfessionen sich mit der „Nassauischen Union“ in wichtigen Fragen einigten, freute am Wochenende nicht nur die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Kirchenpräsident Volker Jung. Bei einem Festwochenende zum Gedenken an die 200 Jahre zurückliegende Union, die mit einer Synode in Idstein begann, war auch eine Abordnung aus Nastätte dabei. Kein Wunder: einer der Verfechter der Union war 1817 der damalige Pfarrer der Gemeinde.

"Unterschiede überwinden – gemeinsam feiern“ lautete das Motto des Festes, das am Freitagabend mit einem Festakt in der Unionskirche eröffnet wurde. Anlässlich des 200-thumb_1a-200nu110817kirchvollvo_becrima-jährigen Jubiläums würdigte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer die Nassauische Union als „besonderes historisches Ereignis, nicht nur weil es die erste Union zwischen zwei Konfessionen in einem deutschen Flächenland war, sondern auch weil beide Seiten in dem Unionskompromiss ihre Identität wahrten“. Die Kirchenunion zeige, dass eine starke Motivation, tief sitzende Gräben zu überwinden, und die Bereitschaft, einen tragfähigen Kompromiss zu finden, zu Lösungen auch bei schwierigen Fragen führen können.

thumb_1a-200nu110817talk1_becrima-„Der Gedanke, dass Christen Unterschiede überwinden können, um gemeinsam den Glauben zu bekennen und in der Welt für die Menschen zu handeln und Frieden zu befördern, bildet die Verbindungslinie zwischen dem historischen Ereignis und der Gegenwart“, sagte Dreyer. Das Motto des Jubiläumsfestes sei heute so wichtig wie damals „auch wenn wir etwa an das gemeinsame Abendmahl von Katholiken und Protestanten denken“, sagte die Ministerpräsidentin im Gespräch mit dem hessischen Kultusminister Alexander Lorz und dem Limburger Weihbischof Thomas Löhr. Dieser erklärte, dass ihn die Unionsgeschichte zweierlei lehre: „Erstens: es braucht Geduld, zweitens: es gelingt“, so Löhr. „Gelebte Einheit des Glaubens bedeutet nicht Vereinheitlichung, sondern ein Ja zu unterschiedlichen Formen des Glaubens“, sagte der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung.

Der frühere sächsische evangelische Bischof Axel Noack erklärte in seinem theologischen Hauptvortrag zum Festakt, dass die Gedanken der Union zu „mehr als einer richtig thumb_1a-200nu110817noackpub_becrima-verstandenen Toleranz“ führen müssten, die das andere nur aushalte. Ziel müsse es sein, „Unterschiede ertragbar zu machen, ohne auf die Frage nach der tragenden Wahrheit zu verzichten“. Nach Noack sei die Union der Versuch gewesen, zur Einigung in „Liebe und Wahrheit“ zu kommen. Sie habe einerseits eine „unwahrhaftige, scheinheilige Liebe“ und andererseits den „lieblosen harten Dogmatismus“ vermieden. Noack hatte seinen Beitrag unter die Überschrift „Wie viel Kompromiss verträgt die Wahrheit?“ gestellt und danach gefragt, inwieweit die Union von 1817 auch als aktuelles Modell für den Umgang mit Unterschieden dienen kann.

„Ein Stückchen stolz dürfen wir Nassauer sein, dass in Idstein im Nassauer Land als erstes der Weg zur Union vor 200 Jahren beschritten worden ist.“ Das sagte Landrat Frank Puchtler im Anschluss an den Festakt während eines Empfangs, den auch viele Evangelische aus Nastätten besuchten. „Schließlich kam einer der Synodalen, die damals die Union schlossen, aus Nastätten“, sagte dessen Gemeindepfarrer Kristian Körver, der seine Examensarbeit zur Nassauischen Union schrieb.

Es handelte sich um Johann Spieker, der im Jahr 1800 die Pfarrstelle im Blauen Ländchen übernahm und sechs Jahre später „Inspektor“ wurde, also ein heutiger Dekan. Nach der legendären Idsteiner Synode wurde Spieker 1818 nach Herborn als erster Professor und Direktor des Theologischen Seminars berufen. Im Herzogtum Nassau galt er als besonders engagierter Fürsprecher für die Union der beiden zerstrittenen protestantischen Flügel.

thumb_1a-200nu110817bilddetail_becrima-thumb_1a-200nu110817kircheinnen_becrima-Fasziniert zeigte sich die Vorsitzende der Synode des Dekanats Nassauer Land Anja Beeres nicht nur vom inspirierenden Vortrag von Altbischof Noack. „Das ist eine sehr beeindruckende Kirche“, war sie ebenso vom sanierten Innenraum des Gotteshauses angetan. Idsteins Gemeindepfarrerin Dr. Daniela Opel-Koch stellte den Besuchern die Zusammenhänge der den Innenraum prägenden 38 Gemälde vor sowie zwei neu gestaltete Fenster der Glaskünstlerin Angelika Weingart. Die greift darin die symbolträchtigen Palmenblätter an den Holzsäulen im einzigartigen Kirchenschiff auf, die den Betrachter zum Nachdenken bringen sollen, weil ein Baum nach oben, der andere aber nach unten wächst.

Darin waren sich alle Besucherinnen und Besucher des Festaktes an diesem Abend einig: Die Unionskirche ist sowohl aufgrund seiner Bedeutung für die evangelische Kirche als auch seiner Innengestaltung auch jenseits des Unionsfestes einen einen Ausflug nach Idstein wert. (vr/bcm)

Zu den Fotos:
oben links: Sorgte für eine lockere Atmosphäre und lautes Klatschen beim Festakt in der voll besetzten sanierten Unionskirche: Der Gospelchor unter Leitung von Karlheinz Theobald.

thumb_1a-200nu110817redner_becrima-Zeigten sich erfreut, dass die Nassauische Union ein Beispiel dafür ist, Gräben zu überwinden und sich auf Gemeinsames zu besinnen, ohne die eigene Identität zu verlieren (von rechts): Die Kirchenpräsidenten der evangelischen Kirchen in Hessen und Nassau und der Pfalz Volker Jung und Christian Schad, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer, der hessische Kultusminister Alexander Lorz und der Weihbischof des Bistums Limburg, Thomas Löhr. Fotos: Bernd-Christoph Matern

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Einen Videobeitrag zum Festakt finden Sie hier