Sanierte Voigt-Orgel bringt in Nastätten Freude vielseitig zum Klingen

thumb_1a-oenae210118vvorn_becrima-NASTÄTTEN. (24. Januar 2018) Warum die Orgel gerade von der Unesco zum Welterbe ernannt wurde, erlebten am Wochenende in Nastätten die Gottesdienstbesucher in der evangelischen St. Salvator-Kirche. Der Einweihungsgottesdienst für die komplett sanierte und von 984 auf 1350 Pfeifen erweiterte Voigt-Orgel war ein bewegendes musikalisches Erlebnis und klangvolle Verkündigung vom Feinsten.

Ein gutes Jahr musste die Gemeinde auf das Königin-Instrument verzichten. Die Orgelbauwerkstatt Bosch aus Niesetal-Sandershausen bei Kassel restaurierte, rekonstruierte und erweiterte die zweimanualige 1859/60 von Christian Friedrich Voigt aus Wiesbaden-Igstadt erbaute Orgel. Von den 22 Registern – dabei handelt es sich um die Klangarten, die die Pfeifen erzeugen – wurden fast die Hälfte rekonstruiert. Neben vertrautem Flöten-, Trompeten- oder Gemshornklang gibt es jetzt auch ein Oboen-Register, das das „Orchester an Pfeifen“ bereichert. Ein Tremulant, der dem Organisten neue Möglichkeiten im dynamischen Auf und Ab ermöglicht, sowie Technik und Pedalkoppeln wurden komplett erneuert.

thumb_1a-oenae210118orgel_becrima-„Die Orgel ist wieder da und fertig – unser Weg und unsere Aufgaben sind es noch lange nicht“, sagte Pfarrerin Anne-Bärbel Ruf-Körver in der vierteiligen Predigt. Auf diesem thumb_1a-oenae210118ziegler_becrima-Weg könne das Instrument helfen, dass Gottes Segen zum Schwingen und zum Klingen bringt. „Die Orgel gibt uns Hoffnung, dass Gott uns nicht überhört, sondern hört; nicht übersieht, sondern sieht“, so die Theologin. Die bewegendste Verkündigung übernahm an diesem Vormittag die Orgel selbst. Dekanatskantor Markus Ziegler war die Spielfreude am erneuerten Instrument deutlich abzuspüren in dem liturgisch und musikalisch wohl bedachten und sehr vielseitigen Programm, das er zusammengestellt hatte und das eindrucksvoll den neuen Klangreichtum der Orgel im Gotteshaus verströmte.

Variationen des tief romantischen Orgelkomponisten Christian Heinrich Rinck gaben einen Vorgeschmack auf die Bandbreite des Instrumentes. Mit einer Passacaglia von Johann Caspar Kerll und Robert Schumanns Skizze Nr. 3 erinnerte der Kantor nebenbei noch an die vogtländische Heimat des Orgelbauers Christian Friedrich Voigt . Auch wunderschöne jazzige Töne von Zsolt Gárdonyi, die an Erroll Garner und Oscar Peterson erinnerten, entlockte Ziegler der Orgel. Ein grandioses Beispiel für die neuen Klangvarianten lieferte Bachs Toccata und Fuge in F-Dur mit einem schönen tiefem Volumen bis hin zu sphärischen Farben.

thumb_1a-oenae210118dank_becrima-Als „Facharzt, der die Operation nach Kräften befürwortete“ bezeichnete Pfarrer Kristian Körver den Orgelsachverständigen der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Thomas Wilhelm. Der saß immer dann am Spieltisch der Orgel, wenn die evangelische Kantorei St. Goarshausen unter Zieglers Leitung sang, so bei Christopher Tamblings Vertonung von Psalm 117, dem freudigen Bach-Choral „Zwingt die Saiten in Cythara“ für Chor, Orgel und die von Anne-Bärbel Ruf-Körver gespielte Solo-Violine und bei Markus Zieglers „Singet dem Herrn ein neues Lied“ für Chor und Orgel. Die facettenreiche und froh machende Komposition des Kantors sowie die Interpreten ernteten nach der Uraufführung spontan kräftigen Beifall aus dem voll besetzten Kirchenschiff.

thumb_1a-oenae210118saal_becrima-„Komm du selbst mit jedem guten Ton in unsere Sinne“, thumb_1a-oenae210118em16_becrima-lautete eine Fürbitte im Gottesdienst. Dass dies mehr als gelungen war, zeigten die Reaktionen beim anschließenden Empfang im Gemeindehaus. „Da war zu erleben, warum die Orgel Königin der Instrumente genannt wird“, zeigte sich Landrat Frank Puchtler von der Einweihung beeindruckt. „Es geht doch!“, lobte auch die Kirchenmusikdirektorin der EKHN Christa Kirschbaum die geglückte Restaurierung als beispielgebend. „Toll, wenn eine Orgel klanglich nicht nur einen schmalen Bereich abdeckt“, so Kirschbaum. Die Voigt-Orgel sei wieder ein thumb_1a-oenae210118em14_becrima-Kind ihrer Zeit und eröffne doch gleichzeitig einen breiten klanglichen Spielraum.

Die Kosten der Restaurierung belaufen sich nach Angaben des Kirchenvorstandsvorsitzenden Dieter Burdinski auf rund 290.000 Euro, mit zehn Prozent beteiligt sich die Landeskirche daran. Knapp 100.000 Euro kamen bereits an Spenden zusammen. Auf weitere hoffen Kirchenvorstand und die Gemeindepfarrer, die neben Sponsoren und Mitwirkenden auch noch einmal den Orgelbauern für ihre gelungene Arbeit ausdrücklich dankten. Bernd-Christoph Matern

Einen Beitrag über die Orgelsanierung finden Sie hier

Zu den Fotos:
Von Freude, Lob und Dank war der konzertante Einweihungsgottesdienst für die restaurierte Voigt-Orgel in Nastätten geprägt. Die evangelische Kantorei St. Goarshausen wirkte unter anderen mit und sorgte für eine laut beklatschte Uraufführung von Markus Zieglers Vertonung des Psalm "Singet dem Herrn ein neues Lied". Fotos: Matern