EKHN-Agrarexpertin: Politik soll Milch-Boykott ernst nehmen

thumb_1acmmilch-boykott0608klRHEIN-LAHN. „Die Milch-Bauern stehen mit dem Rücken zur Wand und greifen jetzt zu ihrem letzten Mittel“, so hat die Agrarexpertin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) Dr. Maren Heincke den Milchlieferboykott der Landwirte kommentiert, dem sich auch etwa 30 Landwirte aus dem Rhein-Lahn-Kreis angeschlossen haben. Dieses letzte Alarmzeichen müssten die Verantwortlichen in der Politik ernst nehmen. Wenn es nicht gelinge, den Landwirten ihre Erzeugungskosten und ein angemessenes Auskommen zu sichern, wäre das für sehr viele Milchviehhalter das Aus, so Heincke.

In der Folge werde die Abhängigkeit Deutschlands von Nahrungsimporten steigen. Die Pflege der Landschaft, die bislang weitgehend Landwirte sicherstellten, werde der Gesellschaft zur Last fallen, sagte die Diplom-Agraringenieurin Heincke, die im Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN in Mainz Referentin für den Ländlichen Raum ist.

Heincke wies darauf hin, dass ein solcher Milchboykott zum ersten Mal in Deutschland praktiziert werde. Angesichts seines ungewissen Ausgangs und der schwierigen Weltmarktlage müsse der Boykott der Landwirte als „verzweifelte Aktion“ angesehen werden, die vielen landwirtschaftlichen Familien und Höfen ihre Existenz vernichten könne, denn jeder Tag Umsatzausfall treibe die Betriebe näher an die Insolvenz.

Heincke sagte, dass es den Landwirten persönlich, ethisch und emotional sehr schwer falle, die Milch nicht in den Handel zu bringen und damit den Verbrauchern auch nicht zugänglich zu machen, denn die Landwirte fühlten sich trotz aller Technisierung ihren Tieren und ihren Produkten besonders verbunden und nähmen ihre Aufgabe als Ernährer der Gesellschaft sehr ernst. Viele hätten auf die anhaltende Kritik aus der Gesellschaft an ihrer Tierhaltung reagiert und in den vergangenen Jahren in neue Ställe investiert, in denen es den Tieren gut gehe. Das stehe nun auf dem Spiel.

Heincke räumte ein, dass die Lage kompliziert sei und es keine einfachen Lösungen gebe, denn viele Faktoren spielten eine Rolle. Wichtig sei aber jetzt zu sehen, dass offenbar eine Grenze erreicht sei. Noch könne die Gesellschaft die Folgen bedenken und die Situation gestalten. Eine mögliche Eskalation müsse unbedingt verhindert werden. Auseinandersetzungen innerhalb des Berufsstandes zwischen „Milch-Boykotteuren“ und „Milch-Lieferanten“ müssten fair ausgetragen werden. Niemand sollte in die eine oder andere Richtung genötigt werden.

Etliche Pfarrerinnen und Pfarrer in der EKHN berichteten, dass viele Landwirte seelsorgerliche Begleitung erbeten hätten. Dies zeige, äußerte Heincke, wie sehr die Situation den Landwirten zusetze. Viele Gemeinden würden am Sonntag die Milchbauern in Fürbitten berücksichtigen. Eine entsprechende Fürbitte habe die EKHN auf ihre Website www.ekhn.de gesetzt.