Seelsorger für Soldaten im In- und Ausland

thumb_1jessen0509-cm-aRHEIN-LAHN/LAHNSTEIN. (26.Mai) Im Auslandseinsatz ist Thorsten Jessen nicht mit einer Pistole sondern einem Kult-Koffer „bewaffnet“. Der Theologe ist Militärpfarrer, zuständig für die Bundeswehrstandorte Lahnstein und Kastellaun, das Heeresmusikkorps 300 in Koblenz und ein Flieger-Ausbildungskommando auf Sardinien. Seinen Dienstsitz hat er in der Deines-Bruchmüller-Kaserne in Lahnstein, wo ihn jetzt die Pfarrer des evangelischen Dekanates Nassau besuchten, um sich in die Besonderheiten und Geheimnisse der Militärseelsorge einweihen zu lassen.

thumb_10pkna0509jessenaGeheimnisträger ist Jessen weniger in militärischer als vielmehr in seelsorgerischer Hinsicht - wie seine Amtskollegen aus den Kirchengemeinden auch. Allerdings gibt es zahlreiche Unterschiede, wie das Gespräch deutlich machte. „Während sie in der Regel mit kirchennahen Menschen zu tun haben, bin ich doch von sehr vielen Leuten umgeben, die weder kirchliche Wurzeln haben noch Mitglied der Kirche sind“, erzählt Jessen, der dies mehr als Chance denn als Nachteil ansieht: „Die säkulare Zuhörerstruktur muss bei den Angeboten und Gesprächen der Militärseelsorge berücksichtigt werden, aber man kann hier sehr missionarisch tätig werden.“

Sein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der in der Mehrzahl 20- bis 35-jährigen Soldaten wird in den Kasernen wesentlich öfter in Anspruch genommen als er das von seiner Tätigkeit in einer nordelbischen Kirchengemeinde kennt, wo der aus Schleswig-Holstein stammende Theologe früher arbeitete. Finanzielle Schwierigkeiten, Auseinandersetzungen mit Vorgesetzten oder Kameraden sowie Probleme in Familie oder Beziehung sind die häufigsten Gesprächsthemen zwischen Seelsorger und Soldaten. Im „lebenskundlichen Unterricht“, den Jessen erteilt, stehen vor allem ethische Fragen im Mittelpunkt, Tod und Verwundung, Friedensethik, Schöpfungsfragen oder auch die Beschäftigung mit dem Islam.

Zu seinem auf acht, maximal zwölf Jahre begrenzten Dienst im Namen der Bundesrepublik Deutschland gehört auch die Begleitung bei einem Auslandseinsatz. 2007 war Jessen für vier Monate im Kosovo stationiert. „Wenn da ein Soldat eine SMS bekommt, in der die Freundin mit ihm Schluss macht, ist Seelsorge wichtig“, nennt Jessen ein Beispiel für seinen Dienst. Oder wenn es um die Verarbeitung der Bilder von Verletzten geht, ist Jessens Begleitung in enger Zusammenarbeit mit einem Psychologen gefragt und wichtig, um Traumatisierungen vorzubeugen. „Häufig vertrauen sich Soldaten erst dem Pfarrer an. Da besteht nicht die Gefahr, am Ende für den Dienst in der Bundeswehr für untauglich erklärt zu werden“, so Jessen.

Neben diesen Extrembeispielen seines Dienstes im Ausland kommt Jessen natürlich auch den alltäglichen Aufgaben eines Pfarrers nach. Dazu zählen Taufen und Trauungen, zu denen er auch schon mal eine Fahrt an den Heimatort der Schützlinge von mehreren 100 Kilometern in Kauf nimmt. Für Gottesdienste und Andachten hat Jessen den eingangs erwähnten Kult-Koffer stets parat. „Ich habe nun mal keinen festen Kirchenraum, auch keinen Organisten – da ist eben Organisationstalent gefragt“, so Jessen. Ob auf dem freien Feld, in einem Zelt oder dem Speisesaal einer Kaserne – Kreuz, Kerzen und -ständer, Abendmahlsgerät, Taufschale und Bibel sind überall schnell aufgebaut. „Gottesdienst ist bei uns überall dort, wo das Kreuz aufgestellt wird.“

Neben der Seelsorge und Verkündigung für die Soldaten in seinem Zuständigkeitsbereich, egal welchen militärischen Rang diese haben – ist die evangelische Militärseelsorge in Deutschland für Jessen auch als christliche Vertretung gegenüber der gesamten Organisation Bundeswehr von Bedeutung. Erfahrungen und Anregungen für den Umgang mit den Bürgern in Uniform aus christlicher Sicht fänden auch im benachbarten Zentrum für Innere Führung in Koblenz durchaus immer wieder Gehör.

Lob für die Arbeit des Seelsorgers zollte der Kommandeur des Führungsunterstützungsbataillons 283, Jörg Dähnenkamp, als er die Pfarrer in der Kaserne begrüßte. „Wir wissen diesen Service sehr zu schätzen“, so Dähnenkamp. Der Militärpfarrer sei ein wichtiger Ansprechpartner für die Soldaten und kenne die Befindlichkeiten in der Truppe und dies jenseits konfessioneller oder religiöser Zugehörigkeiten. Bernd-Christoph Matern