5 Jahre Tafel Nast?tten: Erfolgsstory mit bitterem Beigeschmack Drucken E-Mail

thumb_15jahretafelnae-privatNASTÄTTEN/RHEIN-LAHN. (24. April 2012) Über eine Verdoppelung der Kundschaft innerhalb von fünf Jahren würde sich mancher Unternehmer vielleicht freuen. Anders ist das bei der Tafel des Diakonischen Werkes in Nastätten. Etwa 30 Haushalte im Blauen Ländchen kamen nach der Eröffnung im April 2007 in den Genuss, sich für einen - mehr symbolischen - Betrag von einem Euro wöchentlich mit den preiswerten Lebensmitteln versorgen zu können. Heute stellen die Warenkörbe für 60 Haushalte mit rund 130 Personen in den Verbandsgemeinden Loreley und Nastätten eine wichtige Ergänzung ihres Lebensmittelbedarfs dar.

 

Eine erschreckende Entwicklung: "Dass in einem der reichsten Länder dieser Erde immer mehr Menschen auf das Tafelangebot angewiesen sind, kann uns nicht fröhlich stimmen", kommentiert Ulrike Bittner-Pommerenke, Leiterin des Diakonischen Werkes Rhein-Lahn, den "bitteren Beigeschmack", den für sie der fünfte Geburtstag der hilfreichen Einrichtung in der Nastättener Oberstraße ebenfalls hat.

Für 23 Familien mit 51 Kindern, 20 Singlehaushalte und 17 Ehepaare packen die derzeit 43 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nastätter Tafel die Lebensmittelkörbe an zwei Tagen in der Woche. Das Zusammenspiel der Einsatzkräfte hat sich in den vergangenen fünf Jahren bewährt. Die Fahrdienste arbeiten mit Sortier-Mitarbeitern und dem Ausgabe-Dienst im Laden Hand in Hand.

57 Prozent der von der Tafel versorgten Haushalte erhalten ganz oder ergänzend Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Zunehmend gehören auch Erwerbsunfähigkeits- und Altersrentner (etwa 28 Prozent der Haushalte) zu den Kunden der Tafel, die Menschen mit solchen Waren versorgt, die zwar nicht mehr in den Verkauf kommen dürfen, aber noch unbedenklich zu verzehren sind. Gerade diese Entwicklung sei bezeichnend für die sich immer weiter öffnende Schere zwischen arm und reich, so Pommerenke. "Immer mehr Menschen sind, obwohl sie eine Arbeitsstelle haben oder weil ihre Rente nicht ausreicht, auf staatliche Unterstützung und auch die Tafel-Lebensmittel angewiesen", sagt Pommerenke. "Das zeigt, wie es um die Armutspolitik im Land bestellt ist."

Zu schaffen machen den Organisatoren der Tafel die steigenden Energie- und Sprit-Preise. Allein etwa ein Dutzend Supermärkte rund um Nastätten bis nach St. Goarshausen werden vom Tafel-Fahrdienst angesteuert, um die Waren abzuholen. Auto, Miete, Heizung und Strom sorgen für fixe Kosten, ganz gleich wie hoch das Spendenaufkommen ist. Schon ohne Personalanteile belaufen sich die jährlichen Betriebskosten des Diakonischen Werkes für die Tafel in Nastätten auf rund 16.000 Euro. "Deshalb sind wir nach wie vor gerade auf finanzielle Unterstützung dringend angewiesen", erklärt Pommerenke.

Doch auch Positives sieht die Leiterin des Diakonischen Werkes im fünfjährigen Tafel-Engagement in Nastätten, in denen insgesamt schon einmal mehr als 200 Haushalte die Ausgabe der Warenkörbe in Anspruch genommen haben: "Es ist beeindruckend, mit wie viel Herzblut die vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter Woche für Woche bei der Sache sind und anpacken", dankt sie dem Tafel-Team für das große Engagement, ohne das die segensreiche Einrichtung gar nicht möglich wäre. "Dieses Engagement ist ganz praktisch gelebte Solidarität.", sagt Pommerenke und wünscht sich auch von der Politik eine sozialere Weichenstellung, "damit Chancengleichheit, Bildungsgerechtigkeit und eine angemessene Verteilung des Wohlstands unseren Sozialstaat kennzeichnen und so die Tafeln irgendwann wieder überflüssig machen". Bernd-Christoph Matern

Wer die Arbeit der Tafel in Nastätten unterstützen möchte, wendet sich an das Diakonische Werk in Bad Ems, Telefon 02603/962330 oder in Diez (06432/7282).

Zum Foto: Eine leckere "5" gab's zum fünfjährigen Bestehen der Nastätter Tafel, die die ehrenamtlichen Mitarbeiter (von links) Klaus Rohrbeck, Hans Detlef Müller, Rudolf Meixner und Eva Schmidt hier in die Kamera halten.