70 Jahre Kriegsende: An Ursachen erinnern und Lehren ziehen Drucken E-Mail

thumb_1a-d45-0315-8_co-becrima-prthumb_1a-dresden45-zirkler_becrima-RHEIN-LAHN. (8. Mai 2015) Heute vor 70 Jahren endete offiziell der Zweite Weltkrieg. Das ist ein guter Grund zurückzuschauen, wie es überhaupt zu solch einer von Menschen gemachten Katastrophe kommen konnte, und es sollte auch für wache Augen in Gegenwart und Zukunft sorgen. Brennende Flüchtlingsunterkünfte in Rheinland-Pfalz, Ermittlungen im Rhein-Lahn-Kreis, um rechtsextremistische Gruppierungen ausfindig zu machen und nicht zuletzt die seit Monaten andauernden Montags-Aufmärsche in Dresden zeigen, dass Menschen noch immer auch für Hasstiraden und Gewalt zu gewinnen sind. Aber es gibt auch Gegenbeispiele, wie viele Willkommens-Aktivitäten für Flüchtlinge im Rhein-Lahn-Kreis beweisen, die die Angst vor Fremdem nehmen und den Mensch statt dessen Herkunft und Aussehen in den Mittelpunkt stellen.

Die Leitenden Geistlichen der evangelischen Kirchen in Rheinland-Pfalz und Hessen haben angesichts des Gedenkens an das Ende des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahren „dauerhafte Lehren aus dem Dammbruch der Zivilisation in Europa“ angemahnt. So sei die „Befreiung vom Nationalsozialismus am 8. Mai 1945 zugleich mit der Verpflichtung verknüpft, auch in Zukunft für die Freiheit und den Frieden sowie gegen Rassismus und radikalen Nationalismus einzutreten“. So heißt es in der gemeinsamen Erklärung zum Jahrestag vom Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Dr. Volker Jung, dem Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche der Pfalz, Christian Schad, dem Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski und dem Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein.

thumb_1a-d45-0315-6_co-becrima-prDie Geistlichen erinnern auch an die Mitschuld der evangelischen Kirche an der „menschenverachtenden Politik Nazi-Deutschlands“. So hätten sie die „rassistischen und militaristischen Handlungen des NS-Regimes in weiten Teilen mitgetragen“ oder mit Blick auf die Verfolgung jüdischer Menschen und anderer Minderheiten „oft sogar im vorlaufenden Gehorsam unterstützt“. Nach 1945 habe die evangelische Kirche „ihr beschämendes Verhalten benannt, ihre Mitschuld am millionenfachen Tod bekannt und daraus die Konsequenz gezogen, in Zukunft verantwortungsvoll für Demokratie und Menschenrechte einzutreten“.

Nach Ansicht des hessen-nassauischen Kirchenpräsidenten Volker Jung (Darmstadt) habe der Zweite Weltkrieg darüber hinaus gezeigt, wie wirksam „das abgrundtief Böse im Menschen in der Welt“ sein könne, das längst nicht überwunden sei. So würden Menschen immer wieder „in Diktaturen entrechtet und in Kriegen getötet“. Dies sei gegenwärtig auch eine der Hauptursachen für eine in der jüngsten Geschichte „beispiellose Fluchtbewegung“, bei der Menschen auf der Suche nach einem friedlichen Leben oft genug den Tod fänden.

thumb_1a-d45-0315-1_co-becrima-prJung wies auch auf die besondere Mitverantwortung Deutschlands für den Frieden in der Welt hin, da es als viertgrößter Exporteur von Militärtechnik gelte. „Die erste Frage darf niemals sein, was durch Waffenlieferungen erreicht werden kann, sondern wie die zivile Entwicklungs- und Friedensarbeit vor Ort gestärkt werden kann“, erklärte Jung.

Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche der Pfalz, Christian Schad (Speyer), erinnerte daran, dass die christliche Friedensethik auf der Erfahrung aufbaue, „dass Gott ein Freund des Lebens ist“. Darum unterstützten die Kirchen über den Religionsunterricht hinaus die Erziehung „zum gewaltfreien Zusammenleben und zur verpflichtenden Idee der Völkergemeinschaft“ und engagierten sich im Netzwerk Friedensbildung Rheinland-Pfalz, das Inhalte und Anschauungsbeispiele gelungener ziviler Konfliktbewältigung in den Schulen bekannt mache. Darüber hinaus unterstütze die pfälzische Landeskirche auch die neu eingerichtete Friedensakademie Rheinland-Pfalz, die sich ausdrücklich in Fragen der Konfliktprävention und zivilen Konfliktbearbeitung engagiere. (vr)

Mehr Informationen zum 70. Jahrestag des Ende des Zweiten Weltkrieges und zum Thema Krieg und Frieden finden Sie hier

Tragik und Hoffnung

thumb_1a-dresden15toleranz_co-becrima-Wer das zweifelhafte Vergnügen hat, an einem Montag die Stadt Dresden zu besuchen, fragt sich, ob Menschen überhaupt Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg gezogen haben. Flüchtlinge vor der Semperoper werden dort als „Schandfleck“ bezeichnet, schreiende Zeitgenossen, die lauthals „Lügenpresse“ und „Wir sind das Volk“ skandieren, dagegen als politische Alternative. Die Tonlage, die selbst die dicken Mauern der Frauenkirche durchdringt, in der Menschen für den Frieden beten, klingt dumpf und beängstigend; mit dem Ruf nach Freiheit, für die das „Wir sind das Volk!“ Ende der 1980-er Jahre einst erklang, hat dieses Hass erfüllte Stakkato-Gebrüll nichts mehr zu tun.

thumb_1a-dresden45-asisi_becrima-Wie wenig thumb_1a-d45-0315-4_co-becrima-prweit Hetze und Krieg voneinander getrennt liegen, zeigt die Ausstellung „Dresden 1945 – Tragik und Hoffnung einer europäischen Stadt“ im Panometer. Die Fotos zu diesem Beitrag stammen allesamt von dieser außergewöhnlich eindrucksvollen Schau. Was Kriege bedeuten, dem können sich Besucher dort noch bis zum 30. Mai in Dresden auf einzigartige Weise annähern und dabei mit ihren Sinnen einen berührenden Eindruck von der zerstörerischen Macht von Krieg und Bomben aufnehmen. Der Künstler Yadegar Asisi hat mit seinem monumentalen 360°-Panorama eine außergewöhnliche Zeitreise in die Stadt Dresden unmittelbar nach Ende der alliierten Bombardements vom 13. bis 15. Februar 1945 geschaffen.

Der Betrachter befindet sich wie vor 70 Jahren auf dem Turm des Dresdner Rathauses am Rande der Altstadt und beobachtet die wahnsinnigen Ausmaße der Zerstörungen. Um ihn herum Zerstöruthumb_1a-d45-0315-9_co-becrima-prng, aufsteigende Rauchsäulen, Tote, Schutt und Asche. Dazu schafft die Geräuschkulisse des bekannten Komponisten Eric Babak eine beklemmende Atmosphäre. 

thumb_1a-d45-0315-2_co-becrima-prAsisi ist hier eine bewegende Mischung aus Kunst und Dokumentation gelungen, die nicht die Opfersituation Dresdens in den Vordergrund rückt, sondern den Schrecken des Krieges. Dabei kommt auf den ersten Metern in das Panorama auch die Aufarbeitung der Ursachen für das zerstörerische Leid nicht zu kurz, die mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 beginnt und in der Frage Goebbels „Wollt ihr den totalen Krieg?“ mit dem bekannten Antwortschrei der Masse gipfelt. Was daraus wird, erleben die Besucher, sobald sie das große Rund betreten.

thumb_1dresden040315_welcom_co-becrima-thumb_1a-dresden45-wilhelm_becrima-Den vielen Menschen, die jeden Montag nur wenige hundert Meter entfernt vom Gasometer Fahnen schwenkend vor der Dresdner Semperoper aufmarschieren, dem Ort, der einst Adolf-Hitler-Platz hieß, wäre zu wünschen, dass sie stattdessen besser regelmäßig Asisis Schau aufgesucht hätten, um zu begreifen, was dumpfe Parolen auslösen und was Hass, Agitation und Fremdenfeindlichkeit mit einer Stadt und den darin lebenden Menschen anrichten können. Dass es auch anders geht, wird an vielen anderen Stellen in der ostdeutschen Metropole deutlich, wenn auch leiser, feiner und in einer ebenso friedlicheren wie freiheitlicheren Atmosphäre. Bernd-Christoph Matern

Infos zum Werk des Künstlers Asisi finden Sie hier

Willkommen!

Wie die Angst vor Fremdem und Fremden, neben Machtstreben und Habgier eine der Hauptursachen für kriegerische Auseinandersetzungen, genommen und in Neugier verwandelt werden kann, zeigen derzeit die vielen Projekte, mit denen im Rhein-Lahn-Kreis Flüchtlinge willkommen geheißen werden. Statt dem kriegerischen Elend, dem die Familien entkommen sind, durch Gleichgültigkeit oder gar Zurückweisung noch eins drauf zu setzen, haben sich im vergangenen Jahr zahlreiche Initiativen in evangelischen und katholischen Kirchengemeinden sowie den Kommunen entwickelt, die den Flüchtlingen die Ankunft und das Zurechtfinden in der Fremde erleichtern und zu einem menschlichen Miteinander beitragen. Hier finden Sie nur vier aktuelle vieler Beispiele dafür:

Bad Ems  

Diez

Nassau

Nastätten