Abschied nach 33 Jahren: Rhein ist für Pfarrer Rein zur Heimat geworden Drucken E-Mail

thumb_1a-gnterreinblumen220817_becrima-ST.GOARSHAUSEN/RHEIN-LAHN. (24. August 2017) „Ich habe mir immer gewünscht, ein Amtszimmer mit Blick auf den Rhein zu haben“, sagt Pfarrer Günter Rein. Das war dem Theologen 33 Jahre lang als Seelsorger der evangelischen Kirchengemeinde St. Goarshausen vergönnt. Seit dem 1. August ist der 63-Jährige im Ruhestand. Am kommenden Sonntag, 27. August, wird er um 14 Uhr mit einem Gottesdienst offiziell verabschiedet.

Dass Reins Name seinem späteren Dienstort bis aufs „h“ gleicht, war reiner Zufall. Im Lahn-Dill-Kreis geboren und aufgewachsen, führte ihn das Theologiestudium nach Marburg, Heidelberg und Kiel, „das war das Segelsemester“, scherzt der Pensionär. Dem Vikariat in Kelkheim folgte ein Spezialvikariat in Kassel, wo er auch seine spätere Ehefrau kennen- und lieben lernte. Im August 1984 wurde Rein schließlich an seiner ersten und letzten eigenen Pfarrstelle von Propst Kern aus Mainz ordiniert. Der Hochzeit 1985 folgte die Geburt zweier Söhne und einer Tochter. „Dass alle Drei hier heimisch geworden sind, freut mich ganz besonders“, blickt Rein zurück und nach vorn. Die Nähe zu den Kindern war ausschlaggebend, in der Loreleystadt den Ruhestand zu verbringen.

Knapp acht Jahre war er Dekan des Dekanats St. Goarshausen, bevor die Mutter pflegebedürftig wurde und er das Amt abgab. Die Lektorenbetreuung und Jugendarbeit gehörten auch mehrere Jahre zu den Aufgaben des Pfarrers. Rund 20 Jahre engagierte er sich in unterschiedlichen Positionen im Vorstand und dem Förderverein der Diakoniestation Loreley-Nastätten.

In bester Erinnerung bleibt Rein das gute ökumenische Miteinander. In den zu seiner Gemeinde gehörenden Ortschaften war der protestantische Theologe von sieben katholischen Kirchen und anfangs drei Pfarrern umgeben. „Die ökumenische Aufgabe war da ganz klar gestellt.“ Dass sie sich so gut entwickelte, habe am katholischen Pfarrer Königstein gelegen, seinem unmittelbaren Nachbarn. „Das war ein kollegiales, geschwisterliches und freundschaftliches Miteinander“, erzählt Rein und erinnert an die Glocken, die der katholische Geistliche läuten ließ, als sich nebenan im Hause Rein Nachwuchs einstellte.

Natürlich habe sich in seiner Amtszeit viel verändert, durch den demografischen Wandel etwa. Als die Zahl der Gemeindeglieder von 1100 beim Amtsantritt auf 800 gesunken war, kümmerte sich der Seelsorger neben den Gemeindegliedern in Wellmich und Kestert auch noch um die Evangelischen in Aull, Dahlheim, Lykershausen und Prath; heute zählt die Gemeinde etwa 900 Mitglieder. Größere kirchliche Strukturen, ein Mehr an Verwaltungsaufgaben gerade durch die evangelische Kindertagesstätte rechnet er dazu. „Da wird der Kirchenvorstand heutzutage sehr gefordert“, sagt Rein. Die sehr konstruktive Zusammenarbeit in dem Gremium habe aber ebenfalls dazu beigetragen, sich am Fuße der Loreley wohl zu fühlen und Heimatgefühle zu entwickeln. Auf der anderen Seite machte ihm die Arbeit in der heute 86 Kinder zählenden ganztägig und -jährig geöffneten Einrichtung immer viel Freude.

Über Generationen hinweg folgte Rein als Seelsorger seiner Berufung und teilte das Leben, Freud und Leid mit den Menschen. Diese gewachsene Verbundenheit mit ihnen drückt sich in der Statistik seiner Amtshandlungen aus: 100 Trauungen, 340 Taufen und 450 Bestattungen weist die auf; 270 junge Menschen wurden von ihm konfirmiert. Da wundert nicht, dass er im letzten Urlaub seiner Dienstzeit im Juli noch fünf Taufen übernahm. „Ich hab ja jetzt lange genug Urlaub“, schmunzelt er. „Auch wenn die Gottesdienste weniger gut besucht sind, die Nachfrage nach der aufsuchenden Seelsorge ist gestiegen“, bemerkt der Pfarrer im Ruhestand eine andere Entwicklung. Seien die Leute früher ins Pfarramt gekommen, knüpfe er heute eher beim Einkauf im Supermarkt wichtige Kontakte, schnappe Signale auf, wo Seelsorge notwendig ist.

Der Kontakt mit Menschen lag dem Seelsorger neben dem Predigen immer besonders am Herzen. Auch mit solchen, die von außen in die Gemeinde kamen und wo deutlich wurde, dass Kirche „mitten im Leben und der Gesellschaft steht“. Das begann mit der Partnerschaft zur Kirchengemeinde St. Sylvestri in Wernigerode, die mit einem Bus voller Leute 1988 die 125-Jahr-Feier der Kirche in St. Goarshausen besuchte. Nach dem Mauerfall zog es viele ehemalige DDR-Bürger an den Rhein; dann folgten russlanddeutsche Familien und zuletzt viele Flüchtlinge aus dem Iran. „Das ist bewegend und sehr spannend, Menschen aus fremden Kulturkreisen kennen zu lernen, mit ihnen zusammenzuleben, zu sehen, wie sie sich für den christlichen Glauben interessieren und in die Gemeinde hineinwachsen.“ Und dass direkt unter seiner Wohnung im „Wohnzimmer der Gemeinde“ immer etwas los war, empfand er immer als eine Bereicherung.

Einen Plan für den Ruhestand hat er nicht, außer alte Freundschaften aufzufrischen, für die er an den Wochenenden ja nie Zeit hatte. „Ich fühle mich da jetzt eher als Lehrling“, sagt der Ruheständler und freut sich auf seinen Abschiedsgottesdienst am Sonntag. Bernd-Christoph Matern

Zum Foto:
thumb_1a-gnterreinkirche220817_becrima-Den Ruhestand hat er schon zu Beginn des Monats angetreten. Am Sonntag wird Pfarrer Günter Rein offiziell verabschiedet und zwar in der evangelischen Kirche im Hintergrund, wo er vor 33 Jahren auch ordiniert wurde. Fotos: Matern