Austausch st?rkt Selbstbewusstsein von Hartz-IV-Empf?ngern Drucken E-Mail

thumb_1a-seminartag2010diDIEZ/RHEIN-LAHN. (17.September 2010) Empfänger von Arbeitslosengeld hatte die evangelische Kirche Rhein-Lahn mit Unterstützung des evangelischen Dekanates Diez zu einem Seminartag nach Diez eingeladen. Matthias Metzmacher, Pfarrer für Gesellschaftliche Verantwortung, konnte mehr als zwei Dutzend Betroffene aus dem ganzen Kreisgebiet dazu begrüßen und den Sozialrechtsexperten Hinrich Garms, der den Teilnehmern Grundlagen der aktuellen Gesetzgebung vermittelte und konkrete Fragen beantwortete.

Was macht eine Bedarfsgemeinschaft aus? Darf auf mein Haus eine Grundschuld eingetragen werden? Gibt es Zuschüsse, wenn aufgrund der Wohnungsgröße ein Umzug ansteht? Kann von mir verlangt werden, dass ich ein mehrwöchiges Praktikum ohne Bezahlung annehme? Das waren unter anderem Fragen, mit denen der Experte konfrontiert wurde. „Viele Menschen haben ein gutes Gespür dafür, wann etwas Recht oder Unrecht ist“, so Garms. Im Übrigen gebe es auch die Möglichkeit, etwa über das Amtsgericht einen Beratungsschein für juristischen Beistand in Anspruch zu nehmen.

„Das Problem ist, dass die Hartz-IV-Gesetze an sich bereits einige ungerechte Paragraphen enthalten, die mit gesundem Menschenverstand nicht nachzuvollziehen sind“, so Garms, der auch den Austausch mit ebenso Betroffenen anregte. „Auch wenn das auf dem flachen Land nicht immer einfach ist.“ Umso sinnvoller sei der vom Dekanat, der Diakoniekonferenz Rhein-Lahn und vom Pfarramt für Gesellschaftliche Verantwortung initiierte Austausch in Diez. Matthias Metzmacher verwies auf die Beratung des Diakonischen Werkes Rhein-Lahn: „Aber da gibt es in Sachen Hartz-IV auch schon lange Warteschlangen bei der Beratung.“ Bei mehr als 3000 Bedarfsgemeinschaften, die im Kreis zurzeit Leistungen nach der so genannten Hartz-IV-Gesetzgebung beanspruchen, kein Wunder.

Im Umgang mit der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) und dem Gesetz gehe es nicht nur um Rechts- und finanzielle Ansprüche, sagte der Theologe. „Gerade Alleinerziehende, aber auch die gesamte Familie eines Hilfeempfängers sind einfach überlastet mit der Situation, und sie fühlen sich sehr oft allein gelassen“, so Metzmacher, denn die Abhängigkeit von den staatlichen Stellen führe vielfach zu psychologischen Problemen. „Das nagt am Selbstbewusstsein“, weiß der Psychologe.

„Ich komme mir mit 40 schon uralt vor“, erzählte einer der Teilnehmer von seinen Gefühlen, als er bei einem vieler Vorstellungsgespräche zusammen mit einem 20-Jährigen durch den Betrieb geführt wurde. „Der war für sie wichtiger, an mir hatten die nicht wirklich Interesse; ich hab dann auch gar keine Fragen mehr gestellt.“ 15 Jahre arbeitete er in einem großen Unternehmen, bevor das die Produktion ins Ausland verlagerte und er 2006 auf einmal auf der Straße stand. Froh ist er über jeden Aushilfsjob auf 400-Euro-Basis, den er bekommen kann, auch wenn der auf die staatliche Hilfe angerechnet wird. „Die Hinweise auf die Rechtslage haben mir jetzt doch mehr Sicherheit im Umgang mit dem Amt gegeben“, resümiert ein ehemals selbständiger 53-Jähriger. „Es hat den Mut etwas gestärkt, auch mal nachzufragen und nicht alles hinzunehmen.“ Bernd-Christoph Matern

Bildunterzeile: Sozialwissenschaftler Hinrich Garms (rechts) und Matthias Metzmacher, Pfarrer für gesellschaftliche Verantwortung der evangelischen Kirche Rhein-Lahn hatten in Diez offene Ohren für die Sorgen der Hartz-IV-Empfänger und jede Menge Informationen.