Dekanatsfrauentag in Netzbach weckt Heimatgefühle Drucken E-Mail

thumb_1a-dft16dizsaal_becrima-NETZBACH/RHEIN-LAHN. (29. Juni 2016) Heimat. Fünf Buchstaben, die für viele Menschen eine tiefe Bedeutung haben und große Sehnsucht wecken. Das machte neben der Referentin des diesjährigen Dekanatsfrauentages in Netzbach auch ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm deutlich, das Dagmar Szitnick (Hahnstätten), Marianne Dick (Dörnberg) und Elfriede Kunz (Netzbach) für die Besucherinnen in der Mehrzweckhalle Netzbach auf die Beine gestellt hatten.

"Heimat darf nicht bedeuten, in Erinnerungen und im Rückblick zu erstarren, ständig Altes mit Neuem zu vergleichen", sagte die Referentin des Zentrums Bildung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) in der Netzbacher Mehrzweckhalle Dr. Christiane Wessels. Das Bedürfnis nach Beheimatung, die Spannung zwischen der Sehnsucht nach Heimat und den zwangsläufigen Veränderungen im inneren wie äußeren Lebensumfeld sowie die unterschiedlichen Facetten des Begriffs Heimat sprach Wessels an.

thumb_1a-dft16diezkartoffel_becrima-Neben bekannten Menschen, Orten und Gebäuden sei das Heimatgefühl auch mit vertrauter Sprache und sinnlichen Erfahrungen wie Düften und Essen verbunden. Heimat dürfe aber nicht mit Ausgrenzung und Abschottung einhergehen, sagte die Referentin auch im Hinblick auf derzeit 60 Millionen Flüchtlinge weltweit, die neue oder nur vorübergehende Heimat suchen. Flucht und Vertreibung habe es zu allen Zeiten gegeben; eine nicht vermischte Nation gebe es nicht.

Ob freiwillige oder durch Krieg und Verfolgung erzwungene Aufbrüche: Heimat könne auch an zunächst fremden Orten wachsen und „gemacht“ werden. „Auch Religion hat da eine große Bedeutung, weil man sie als Heimat im Herzen trägt, egal wo man ist.“ Den Besucherinnen gab Wessels das Gedicht „Ziehende Landschaft“ von Hilde Domin mit auf den Weg, in dem es heißt: „Man muss weggehen können und doch sein wie ein Baum“. In diesem Sinn könnten sich Staunen und Neugier für Veränderungen und die Freude am Vertrauten sinnvoll ergänzen.

thumb_1a-dft16puchtler_becrima-"Heimat ist da, wo man sich wohlfühlt", sagte Landrat Frank Puchtler, als er die Frauen aus den Verbandsgemeinden Diez, Hahnstätten und Katzenelnbogen zusammen mit Bürgermeister Volker Satony und Ortsbürgermeister Horst Ackermann in der Netzbacher Mehrzweckhalle grüßte. Dazu zähle auch der traditionsreiche Frauentag als eine „soziale Tankstelle“, so Puchtler. Wenn er auf der Heimfahrt die Oberneiser Rundkirche sehe, die auf den Tischen als Lesezeichen ausgelegt war, werde bei ihm immer das Heimatgefühl geweckt. Puchtler erinnerte aber auch an 90 minderjährige Flüchtlinge, die derzeit ohne Heimat und Eltern im Rhein-Lahn-Kreis leben und der Hilfe bedürfen, um sich in neuer Heimat wohlzufühlen.

Heimat ist relativ. Das zeigte sich, als Dagmar Szitnick die Dekanin des Dekanats Nassauer Land Renate Weigel aus Bad Ems und die Vorsitzende der Dekanatssynode Anja Beeres aus Obertiefenbach begrüßte. Weigel stellte sich als eine „neue Verwandte“ den Frauen vor, die die Menschen im ehemaligen Dekanat Diez erst noch kennen lernen wolle, obwohl die Regionen im neuen Dekanat jetzt zusammengehören. „Da ist es schön, auf Menschen vor Ort zu treffen, die einem weiterhelfen und mit offener Herzenstür begegnen“, so die Theologin.

thumb_1a-dft16diztonart_becrima-Heimat ist Musik. Für diese sorgte zur Einleitung des Nachmittags das brillante Violinspiel der jungen Netzbacher Geigerin Hannah Möbus, die begleitet von Bettina Scholl ein Konzert für Violine und Klavier von Oskar Rieding zum Besten gab. Später erfreute der Chor „TonArt“ unter Scholls Leitung mit wunderschönen auch fremdsprachigen Sätzen, die die Seele bewegten. Und auch der Saal selbst stimmte mit Scholl in vertraute Weisen ein wie etwa dem Sommerlied „Geh aus mein Herz und suche Freud“.

Heimat sind gute vertraute Worte. Davon gaben gereimt und in Prosa Marianne Dick, Dagmar Szitnick und Elfriede Kunz den Teilnehmerinnen zwischendurch reichlich mit. Insbesondere bei Rudolf Dietz' Mundartversen „Deham is deham“ ging vielen Frauen im Saal das heimatverbundene Herz auf.

Eingeleitet wurde der Frauentag von einer Andacht von Pfarrerin Michelle Siebers und der neuen Oberneiser Pfarrerin Annette Blome. Siebers ermunterte die Frauen, nicht immer alles unter einen Hut bringen zu wollen. „Mit diesem Anspruch können wir uns nur aufreiben.“ Mit einem Psalm machte sie deutlich, dass Christen auf Gott als Retter vertrauen dürfen, wo menschliche Kraft endet, sowohl in der Heimat als auch in der Fremde.

Schließlich geht Heimat auch durch den Magen. Viele leckere Kuchen kredenzten die Netzbacher Frauen den Besucherinnen, die sich die heimische Backkunst schmecken ließen und sich dabei mit alten und neuen Bekannten über die kleinen und großen Heimatneuigkeiten austauschten. Bernd-Christoph Matern