Evangelische Kirche bewegt Rücktritt des Papstes Drucken E-Mail

thumb_1josef_winkler_papstbenediktRHEIN-LAHN. (11. Februar 2013) Die Nachricht hat nicht nur katholische Christen überrascht und zutiefst bewegt: Dass Papst Benedikt XVI. heute Mittag seinen Rücktritt angekündigt hat, überrascht auch viele evangelische Theologen, die dem 85-jährigen Oberhaupt der katholischen Kirche Respekt für diese Entscheidung zollen, die wie ein Paukenschlag am Rosenmontag wirkte. „Es hat mir die Sprache verschlagen“, erklärte etwa Pfarrer Markus Fehlhaber, Referent für Ökumene der evangelischen Kirche Rhein-Lahn.

Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) Dr. Volker Jung hat Papst Benedikt anlässlich der Ankündigung seines Rücktritts als vorbildlich gewürdigt. Wörtlich sagte er: „Persönlich habe ich großen Respekt vor der Entscheidung von Papst Benedikt, seine Amtszeit Ende Februar zu beenden. Er erkennt die Grenzen seiner Kräfte und zieht daraus die Konsequenz für sich und seine Kirche. Diese persönliche Klarheit und Konsequenz halte ich für vorbildlich. Für eine Würdigung seiner ereignisreichen Amtszeit ist es im Moment noch zu früh. Die Ankündigung seines Rücktritts kommt für uns überraschend.“

Der Propst für Süd-Nassau, Dr. Sigurd Rink nannte den deutschen Papst einen auch für Protestanten großen theologischen Wissenschaftler und Buchautor. „Gerade mit seiner dreibändigen Nachzeichnung des Lebens von Jesus von Nazareth hat er eine ganz außerordentliche Deutung für das Leben und Wirken Jesu vorgenommen“, sagte Rink.

Die Entscheidung, das Petrus-Amt niederzulegen, zeigt Einsicht sowohl in gewachsene Anforderungen an das Amt als auch in die enormen Herausforderungen, denen sich nicht nur die römisch-katholische Kirche, sondern die Christenheit, gegenüber sieht, erklärte Markus Fehlhaber, Pfarrer für Ökumene der evangelischen Kirche Rhein-Lahn, dem zunächst einmal „die Sprache verschlagen habe, als er von der Meldung erfuhr. „Die umfassende mediale und auch reale Präsenz, die weltweit vom Papst erwartet wird, geht sicher über die Kräfte selbst eines jüngeren Amtsträgers“, so Fehlhaber. Die Orientierungslinien für Glaubende und eine sich säkular verstehende Gesellschaft, die ein mit solcher Machtfülle ausgestattetes Amt erstellen, durchsetzen und glaubwürdig vertreten soll, seien an Komplexität kaum zu überbieten. Fehlhaber: „Da legt sich im Jubiläumsjahr des 2. Vatikanums nahe, über künftig kollegialere Strukturen nachzudenken. Und ein Wechsel an der Spitze der römisch-katholischen Kirche bietet die Chance, deutlich zu machen, dass die Mehrheit der Gläubigen seit Jahrzehnten in den Ländern des Südens lebt.“

Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, erklärt zur Ankündigung des Rücktrittes von Papst Benedikt XVI. am heutigen Montag: „Die Ankündigung des Rücktrittes von Papst Benedikt habe ich mit großem Respekt zur Kenntnis genommen. In besonderer Weise denke ich an unser Zusammentreffen in September 2011 im Augustinerkloster zu Erfurt, wo Papst Benedikt an einer Lutherstätte die existentielle Frage Martin Luthers ,Wie bekomme ich einen gnädigen Gott‘ in eindrucksvoller Weise aufgenommen hat.“

Schneider dankte auch im Namen des Rates der EKD für alle theologischen Gespräche und Diskussionen. Dass Papst Benedikt von sich aus das Amt abgibt, empfinde er als bewegend und erfülle ihn mit großem Respekt. Der Präses: „Ich wünsche Papst Benedikt nun von ganzem Herzen erfüllte Jahre, die er ohne die Bürde des Amtes verleben möge. Dass Ämter nur auf Zeit wahrgenommen und dass man ab einem bestimmten Lebensalter von allen amtlichen Pflichten befreit ist, gehört zum Maß des Menschlichen. Es ist ein gutes Zeichen, dass Papst Benedikt dieses durch das Evangelium eröffnete Maß des Menschlichen durch die Ankündigung seines Rücktrittes zum Ausdruck bringt. Ich wünsche Papst Benedikt Gottes Segen für die kommende Zeit.“

Die Erklärung, die Papst Benedikt XVI. abgegeben hat, im Wortlaut:

"Liebe Mitbrüder!

Ich habe euch zu diesem Konsistorium nicht nur wegen drei Heiligsprechungen zusammengerufen, sondern auch um euch eine Entscheidung von großer Wichtigkeit für das Leben der Kirche mitzuteilen. Nachdem ich wiederholt mein Gewissen vor Gott geprüft habe, bin ich zur Gewißheit gelangt, dass meine Kräfte infolge des vorgerückten Alters nicht mehr geeignet sind, um in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben. Ich bin mir sehr bewußt, dass dieser Dienst wegen seines geistlichen Wesens nicht nur durch Taten und Worte ausgeübt werden darf, sondern nicht weniger durch Leiden und durch Gebet.

Aber die Welt, die sich so schnell verändert, wird heute durch Fragen, die für das Leben des Glaubens von großer Bedeutung sind, hin- und hergeworfen. Um trotzdem das Schifflein Petri zu steuern und das Evangelium zu verkünden, ist sowohl die Kraft des Köpers als auch die Kraft des Geistes notwendig, eine Kraft, die in den vergangenen Monaten in mir derart abgenommen hat, dass ich mein Unvermögen erkennen muss, den mir anvertrauten Dienst weiter gut auszuführen.

Im Bewusstsein des Ernstes dieses Aktes erkläre ich daher mit voller Freiheit, auf das Amt des Bischofs von Rom, des Nachfolgers Petri, das mir durch die Hand der Kardinäle am 19. April 2005 anvertraut wurde, zu verzichten, so dass ab dem 28. Februar 2013, um 20 Uhr, der Bischofssitz von Rom, der Stuhl des heiligen Petrus, vakant sein wird und von denen, in deren Zuständigkeit es fällt, das Konklave zur Wahl des neuen Papstes zusammengerufen werden muss.

Liebe Mitbrüder, ich danke euch von ganzem Herzen für alle Liebe und Arbeit, womit ihr mit mir die Last meines Amtes getragen habt, und ich bitte euch um Verzeihung für alle meine Fehler. Nun wollen wir die Heilige Kirche der Sorge des höchsten Hirten, unseres Herrn Jesus Christus, anempfehlen. Und bitten wir seine heilige Mutter Maria, damit sie den Kardinälen bei der Wahl des neuen Papstes mit ihrer mütterlichen Güte beistehe. Was mich selbst betrifft, so möchte ich auch in Zukunft der Heiligen Kirche Gottes mit ganzem Herzen durch ein Leben im Gebet dienen."

Nach dem römisch-katholischen Kirchenrecht darf ein Konklave zur Wahl eines Nachfolgers frühestens am 15. Tag nach dem Tod oder Rücktritt des Papstes beginnen, spätestens jedoch am 20. Tag. Somit wird es zwischen dem 15. bis 20. März 2013 zu einem Konklave zur Wahl  kommen.

Zum Foto: Der Bundestagsabgeordnete Josef Winkler (Bündnis 90/Die Grünen) aus Bad Ems besuchte Papst Benedikt XVI bei einer Audienz der kirchenpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen.