Geburtstagsvortrag der Dekanin am Limes: Respekt statt Ausgrenzung Drucken E-Mail

thumb_1a-60rw151018vh_becrima-thumb_1a-60rw151018weihoch_becrima-POHL/RHEIN-LAHN. (19. Oktober 2018) Oben und unten, überlegen und unterlegen, gebildet und dumm – mit ziemlicher Arroganz blickten die Römer einst auf die Gallier. An diesen Mechanismen der Ab- und Ausgrenzung scheint sich bis heute nicht viel geändert zu haben. Das zumindest zeigte ein Vortrag der Dekanin des evangelischen Dekanats Nassauer Land, Renate Weigel. Die Theologin hatte an ihrem Geburtstag das geschichtsträchtige Limeskastell in Pohl ausgewählt, um aus dem Galater-Brief der Bibel unter dem Motto „Römer, Gallier, Galater – und wir?“ Perspektiven für Kirche von heute zu gewinnen.

Etwas veraltet muteten die Verse zunächst an, die Weigel zu Beginn ihres Geburtstagsreferates aus dem Brief des Paulus an die Galater zitierte, die von der Beschneidung handelten. Ein Ritus, der wie das Speiserecht sinnbildlich für den Widerspruch zwischen einer absoluten religiösen Gesetzestreue und einer christlichen Haltung steht, wie Weigel später ausführte und damit den „ollen Kamellen“ eine Bedeutung abgewann, die in die aktuelle Migrations-Politik und religiöse Strömungen des Jahres 2018 hineinreichte.

thumb_1a-60rw151018weigel_becrima-Zuvor beschrieb die Theologin den verachtenden Umgang der Römer mit den Galatern, die als Barbaren wie wilde Tiere angesehen und behandelt wurden, während sich die Römer feinsinnig, gebildet und höher stehend fühlten. Bilder von Skulpturen unterstrichen die Situation der Galater. In einem Staatskult mit religiösen Ausmaßen habe sich Paulus, ein griechischer Jude mit römischem Bürgerrecht, auf seiner Mission bewegt. Sein Brief an die Galater sei ein kluger für unheimlich kluge Menschen, der sie „aus dem Staub aufrichtet und ihnen eine Würde gibt, die ihnen kein Römer nehmen kann“.

Selig mache nicht „mein – noch dazu richtig gelebter – Glaube“, um dem es dem alternden Martin Luther ging, um sich etwa von Juden abzugrenzen, sondern die Treue Jesu, differenzierte Weigel und schlug daraus die Brücke ins Heute, wenn Einer dem Anderen den Himmel absprechen wolle. „Wir streiten, was wichtig ist, aber nicht, wer selig wird und in den Himmel kommt“, sagte Weigel und sprach sich zudem für eine politische Kirche aus. Als ein Beispiel nannte sie die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. „Können wir uns darauf einigen, dass jeder in seiner Sexualität sündigt?“.

thumb_1a-limeslehrpfadberg10-18_becrima-Paulus lehre, sich nicht anzupassen oder sich zu den einzig wahren Erlösern hochzustilisieren. Weigel: „Herrschaft ist Dienst. Wer Macht haben will, muss Demut können“. Das Ziehen von Linien, ob für Drinnen und Draußen, besser und schlechter, das Ab- und Ausgrenzen, das Spalten, sei damals wie heute nicht im Sinne Jesu, der auch die Unberührbaren berührt habe. Als Schlussbild zeigte Weigel ein mit Obstbäumen sichtbar gemachtes Stück des römischen Grenzwalls zwischen Hunzel und Berg. „Eine Allee des Respekts“, die auf beiden Seiten thumb_1a-60rw151018pochorvl_becrima-Bereicherndes zu bieten habe, nannte die Referentin das Wegstück.

Viele Assoziationen zur heutigen Gesellschaft und Politik sowie reichlich Gesprächsstoff lieferte das Referat für die anschließende Geburtstagsfeier mit Imbiss und Getränken. Zuvor hatte der Obertiefenbacher Posaunenchor, verstärkt von Blechbläsern aus anderen Chören des Dekanats und unter Leitung von Martina Adler, für einen stimmungsvoll musikalischen Auftakt des Abends gesorgt mit Lieblingsliedern der Dekanin und einem Geburtstagslieder-Medley, in das die Besucher in der voll besetzten Basilika des Kastells einstimmten.

thumb_1a-60rw151018beeres_becrima-Die Vorsitzende des Dekanatssynodalvorstandes (DSV) Anja Beeres gratulierte Weigel zu ihrem 60. Geburtstag und dankte ihr für das nimmermüde Engagement als Dekanin; dabei mahnte sie die Theologin auch, zwischen den vielen Herausforderungen an sich zu denken. Zusammen mit einem spontan gegründeten Chor aus Mitgliedern des DSV und der Mitarbeitenden des Dekanats gab es für die kommenden Jahre der Jubilarin noch thumb_1a-60rw151018aussen_becrima-gesungene Segenswünsche. Weigel selbst erinnerte an eine Reihe anderer bekannter Menschen aus den Kirchengemeinden, die in diesem Jahr runde Geburtstage feiern. Zu den vielen Gratulanten des Abends gehörte auch Landrat Frank Puchtler, der Weigel für deren klare Haltung und die gute Zusammenarbeit über kirchliche Grenzen hinaus dankte. Bernd-Christoph Matern

Zu den Fotos:
Streiten ja, aber die eigene Überzeugung nicht als einzig selig machende Anderen aufzwingen wollen – das war eine Folgerung, die Dekanin Renate Weigel aus dem Brief des Paulus an die Galater ihren Geburtstagsgästen in einem Vortag mitgab. Das Pohler Limeskastell bildete die passende Kulisse für das Referat, in dem es um Macht, Unterdrückung und Abgrenzung ging. Musikalisch gratulierte der mit anderen Musikern aus dem Dekanat aufgestockte Posaunenchor Obertiefenbach sowie ein Spontanchor, der die Glückwünsche der DSV-Vorsitzenden Anja Beeres umrahmte. Fotos: Matern