Gedenken: Schrecken des entfesselten Hasses nicht vergessen Drucken E-Mail

thumb_1a-gug091116graeber_co-becrima-BAD EMS/RHEIN-LAHN. (11. November 2016) Wie entfesselter Fanatismus und Hass Kriege auslöst und sich sogar gegen das eigene Volk richtet, daran wurde am 9. November auf dem jüdischen Friedhof in Bad Ems erinnert. Das evangelische Dekanat Nassauer Land hatte zum Gebet und Gedenken dorthin eingeladen und damit eine Themenreihe im Reformationsjahr eröffnet, die sich den jüdischen Wurzeln des christlichen Glaubens widmet.

thumb_1a-gug091116sprecher_becrima-"Dieser 9. November war der Anfang vom Ende“, sagte Avadislav Avadiev, Vorsitzender des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden in Rheinland-Pfalz, im 1929 errichteten Taharahaus, der jüdischen Trauerhalle. Dass Eltern ihres einzigen Kindes, das im Ersten Weltkrieg noch das Leben für sein deutsches Vaterland geopfert hatte, einmal nach Auschwitz deportiert und grausam ermordet wurden, „das kann die Welt nicht begreifen!“, nannte Avadiev ein grausames Beispiel in der kleinen Gedenkfeier, an der Vertreter der Kirchen sowie der Kommunalpolitik wie Landrat Frank Puchtler teilnahmen.

Nie habe man damals glauben können, dass der vom Nazi-Regime geschürte Hass fähig ist, sich gegen die eigene Bevölkerung zu richten. Viele Kriege seien zu allen Zeiten durch solchen Hass ausgelöst worden, sagte Avadiev und verwies auch auf biblische Berichte. Er erinnerte aber auch an Menschen in Deutschland, die jüdischen Bürgerinnen und Bürgern damals geholfen hätten. Dekanin Renate Weigel dankte er, dass sie zu der Gedenkfeier gerade an diesen Ort der stillen Zeugen eingeladen habe.

Zusammen mit Jutta Ulges verlas Weigel die 57 Namen von Bad Emser Bürgerinnen und Bürgern, die in den Jahren von 1933 bis 1945 Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurden. Zuvor hatte die Theologin aus einer Informationsschrift an die Entstehung und Geschichte des jüdischen Friedhofs im Emsbachtal erinnert, der 1880 angelegt wurde und auf dem auch viele jüdische Kurgäste beigesetzt sind. Außerdem beschrieb sie das jüdische Leben in Bad Ems bis 1942, das bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht.

Weigel zählte eine Reihe sozialer Aktivitäten auf, mit der die jüdische Gemeinde damals das Leben in Bad Ems unterstützte wie die Errichtung eines Waisen- und eines Mädchenheims, ein Betreuungsangebot für psychisch kranke Menschen, ein Heim für ältere Lehrer und Kantoren sowie ein Sanatorium. Dann zitierte die Dekanin von körperlicher Gewalt, Schmähungen und anderen Angriffen auf das Leben und das Hab und Gut der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Geschäfte, Wohnungen und auch die 1837 in der Römerstraße errichtete Synagoge wurden am 10. November 1938 zerstört und entweiht. Weigel: „Es ist erschreckend, festzustellen, zu was entfesselter Fanatismus fähig ist.“

Das Gedenken, das mit einer in Hebräisch vorgetragenen Friedensbitte endete, wurde stimmungsvoll umrahmt von einer Gruppe Musiker, die unter anderem jüdische Trauerlieder anstimmte. Bernd-Christoph Matern

Jüdisches Leben im Focus

Das evangelische Dekanat Nassauer Land möchte im Reformationsjahr 2017 mit einer fünfteiligen Reihe an die jüdischen Wurzeln christlichen Glaubens erinnern und an die besondere Verantwortung deutscher Christen gegenüber jüdischem Leben im 21. Jahrhundert.

Neben dem „Gebet und Gedenken“, das die Reihe am 9. November 2016 und 2017 einrahmt, sind außerdem drei Veranstaltungen geplant: Dekanin Renate Weigel wird sich in einem Vortrag „Luther und die Juden“ mit den Judenschriften des Reformators auseinandersetzen. „Auf den Spuren jüdischen Lebens in Bad Ems“ ist ein Spaziergang durch die Kurstadt mit dem Historiker und Stadtarchivar Dr. Jürgen Sarholz überschrieben. Und schließlich gibt es innerhalb der Reihe noch einen Vortrag von Avadislav Avadiev über das jüdische Leben.

Ein Programm zum Reformationsjahr finden Sie hier