Gisela Schönrock sorgte in Scheuern mehr als 60 Jahre für tolle Töne Drucken E-Mail

thumb_1a-giselaschoenrock_stiftungNASSAU/RHEIN-LAHN. (24. Juli 2017) Wenn das keine Ära ist, die da gerade zu Ende geht: Unfassbare 62 Jahre lang hat Gisela Schönrock den Chor der Stiftung Scheuern geleitet und sich auch als Organistin überaus engagiert für die Gemeinschaft eingesetzt. Doch Ende Juli gibt sie, die demnächst 86 Jahre alt wird, ihre Ämter nun auf.

Kurzer Blick zurück in die 1950er-Jahre: Damals baute Gisela Schönrock an der Wichernschule der Heilerziehungs- und Pflegeheime Scheuern, wo sie als Lehrerin arbeitete, einen Schulchor auf. Noch lebhaft erinnert sie sich daran, wie ihre Schützlinge beim Chorwettbewerb der Nassauischen Kulturstiftung gleich dreimal den 2. Preis abräumten. „Dass eine Hilfsschule bei einem solchen Wettbewerb mitmacht und auch noch so erfolgreich abschneidet, hat in ganz Deutschland Aufmerksamkeit erregt – vor allem auch, weil den 1. und 3. Preis jeweils ein Gymnasium gewonnen hat“, erzählt sie.

thumb_1a-giselasimelement_ulibletzerRund ein Dutzend der aktuellen Sänger waren schon damals, als Kinder, dabei – unter ihnen Christa Schienmann und die Schwestern Helga und Karin Krause. „Im Schulchor haben wir sogar zweimal in der Woche geprobt“, erinnern sie sich und fügen mit Blick auf ihre gesamte Zeit im Scheuerner Chor hinzu: „Es hat immer Spaß gemacht. Wir haben immer wieder neue Lieder gelernt und sind ab und zu auch weggefahren.“ Denn es dauerte nicht lang, bis Gisela Schönrock zusätzlich zum Kinderchor auch einen großen gemischten Chor unter ihren Fittichen hatte, aus dem später der Chor der evangelischen Kirchengemeinde der Stiftung Scheuern wurde.

Von Bornich bis Berlin, von Friedrichssegen bis Frankfurt trat der Chor, der Mitglied im Landesverband der evangelischen Kirchenchöre in Hessen-Nassau ist, in mehr als 60 Städten und Gemeinden auf und machte die Stiftung Scheuern auf diese Weise in ganz Deutschland bekannt. Ob es die Bundesgartenschau in Koblenz, der Rheinland-Pfalz-Tag in Bad Ems oder die Seniorenfeiern der Stadt Nassau waren: Überall wirkte die Sängerschar unter der Leitung von Gisela Schönrock mit großem Engagement und Können mit – ganz zu schweigen natürlich von den wöchentlichen Gottesdiensten und festlichen Anlässen innerhalb der Einrichtung.

thumb_1a-schoenrock2013_becrima-Gerade so, als sei das alles noch nicht genug, führte Gisela Schönrock um das Jahr 1960 herum auch noch das Maisingen ein, zu dem im Sinn der Inklusion neben den Bewohnern der Stiftung Scheuern stets auch alle Nassauer Bürger eingeladen waren. Ein Fixpunkt im Jahresablauf war zudem das von ihr geleitete und jedes Mal neu gestaltete Krippenspiel am 3. Adventssonntag, bei dem die Chormitglieder begeistert als Darsteller und Sänger agierten. Eines dürfte bei alledem klar sein: Ein Chor wie jeder andere ist der, den Gisela Schönrock seit mehr als sechs Jahrzehnten leitet, nicht. „Andere Chöre sind es gewohnt, vom Notenblatt abzulesen“, sagt Gisela Schönrock. „Aber das geht bei Menschen mit Behinderung ja nicht. Ihnen habe ich durch Vorsingen immer jede Stimme und jeden Ton einzeln beigebracht. So sind wir Schritt für Schritt vorangekommen.“

So gut vorangekommen, dass der Chor beispielsweise das „Lied vom Löwenzahn“ vier- und das Kirchenlied „Ehre sei Gott in der Höhe“ sogar fünfstimmig beherrscht. Und falls mal etwas nicht ganz so gut klappen sollte, nimmt Gisela Schönrock es mit Humor. „Ich würde nie behaupten, dass einer meiner Sänger falsch singt. Er singt höchstens zu einem vierstimmigen Satz die fünfte Stimme dazu“, erklärt sie, ohne eine Miene zu verziehen, und verrät: „Wichtig ist in einem solchen Fall, dass man mit dem Wackelkandidaten Blickkontakt hält.“

thumb_1a-schoenrock12-2013_becrima-Schließlich sind es neben den großen Chorreisen und Auftritten vor allem die Erlebnisse am Rande, die unvorhersehbaren Zwischenfälle und kleinen ¬Missgeschicke, die am Ende besonders gut im Gedächtnis bleiben. „Ich habe mich immer bemüht, den Sängern abstrakte Begriffe zu erklären“, erzählt Gisela Schönrock. „Bei dem Lied ,Grüß Gott, du schöner Maien‘ war es zum Beispiel der Begriff ‚Gemüt‘. Aber trotzdem haben einige ,Mein Herz und mein Gemüs‘ gesungen.“ Damit nicht genug: Bei dem Lied „Fröhlich soll mein Herze springen“ geriet sogar die „Labsal“ zum „Schlafsaal“. „Das sind halt so Höhepunkte“, schmunzelt Gisela Schönrock, die seit 1955 nicht nur als Chorleiterin, sondern auch als Organistin der evangelischen Kirchengemeinde der Stiftung Scheuern im Dauereinsatz ist.

Logisch, dass nicht nur ihre Sänger mit Wehmut auf die schöne Zeit zurückblicken. „Aber ich kann die Uhr ja nicht zurückdrehen“, sagt sie. „Und es ist besser, jetzt aufzuhören, wo ich noch bei bester Gesundheit bin.“ Eines steht indes schon fest: Langweilig wird es Gisela Schönrock auch in Zukunft ganz bestimmt nicht werden. Denn das Nähen und Basteln zählen seit jeher zu ihren Lieblingsbeschäftigungen, und eine begeisterte Klavierspielerin ist sie obendrein. Ulrike Bletzer

Die Stiftung Scheuern und ihre Kirchengemeinde verabschieden Gisela Schönrock am Sonntag, 6. August, ab 10 Uhr mit einem festlichen Gottesdienst im Versammlungsraum der Stiftung Scheuen in den Ruhestand.