Johannes-Passion in Bad Ems und Diez: Ruhe finden in der Last der Welt Drucken E-Mail
thumb_1a-jpbe080417vh_becrima-

BAD EMS/DIEZ-FREIENDIEZ. (12. April 2017) Wenn ein musikalisches Werk auch 300 Jahre nach seiner Entstehung die Menschen noch bewegt, spricht das zum Einen für die hohe Kunst des Komponisten. Zum Anderen zeigten die Aufführungen der Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach am Wochenende in Bad Ems und Diez einmal mehr, dass sich der Mensch in seinem Suchen, Fragen und Sehnen in 2000 Jahren kaum verändert hat. Ein eindrucksvoller Einstieg in die Karwoche.

In einem Gemeinschaftsprojekt haben die Evangelische Kantorei Bad Ems und die Nassauische Kantorei aus der Region Diez die von Bach vertonte Leidensgeschichte Jesu nach dem Johannes-Evangelium unter Leitung der Dekanatskantoren Ingo Thrun (Bad Ems) und Martin Samrock (Diez) einstudiert.

thumb_1a-jpbe080417hochvh_becrima-Begleitet von einer ebenso versiert wie engagiert aufspielenden „Capella Instrumentalis Nassoviae“ wirkt die zweistündige Aufführung mitten hinein in die christliche Passionszeit und nicht zuletzt in die Leidensgeschichten, die Menschen und Menschheit heute zu ertragen haben. Chor und Orchester erschließen sehr diszipliniert unter Stabführung von Ingo Thrun (1. Teil) und Martin Samrock (2. Teil) in der katholischen Martinskirche Bad Ems und in der evangelischen Jakobuskirche Diez-Freiendiez die grandiose Komposition des Thomas-Kantors, dessen Werk nicht umsonst gern als fünftes Evangelium bezeichnet wird. Wer Bachs facettenreiche musikalische Sprache, mit dem er den Evangeliums-Text übersetzt, auf sich wirken lässt, kann schon zu Beginn der Karwoche die Tiefe der christlichen Botschaft verinnerlichen, auch dann, wenn er das sehr lesenswerte Programmheft erst später aufschlägt.

thumb_1a-jpbe080417beifall_becrima-Vom machtvollen „Herr, unser Herrscher“ bis zum friedvoll tröstlichen „Ruht wohl, und bringt auch mich zur Ruhe“ spannt sich dieser ausdrucksstarke dramatische Bogen, aus dem die Zuhörer angesichts der Leiden der lauten Welt anno 2017 viel Trost, Ruhe und Glaubenszuversicht schöpfen können. Mélanie Horner (Sopran), Maria Dehler (Alt), Sebastian Kunz und Peter Meyer (Bariton) sowie allen voran der Tenor Ulrich Cordes als Evangelist gelingt in den tonal sicher gegebenen Arien eine fein gezeichnete Charakterisierung dessen, was die Protagonisten der Passionsgeschichte wie Jesus, Petrus und Pilatus bewegt.

Eindringlich verströmen die nur gut zwei Dutzend Sängerinnen und Sänger der Gemeinschaftskantorei die musikalische Stärke von Bachs Partitur in die Kirchenreihen, von der aufgebracht gegen Jesus hetzenden Menge – die sorgt ja auch heutzutage immer wieder für Schlagzeilen – bis hin zu den wunderschönen Chorälen mit ihrer versöhnenden Bekenntniskraft.

Einer kurzen Stille nach dem schön und sanft fließenden Schlusschoral folgt kräftiger Beifall für die Akteure. Was richtig und falsch ist, damit wird sich das Publikum auch nach den Aufführungen so schwer tun, wie Pilatus mit seiner Entscheidung, Jesus kreuzigen zu lassen oder nicht. Wohl aber können Besucherinnen und Besucher mit einem Gefühl der Ruhe und in der Gelassenheit des Glaubens den Heimweg antreten, mit denen sie Bachs Musik in der Interpretation der Kantoreien erfüllt hat. Bernd-Christoph Matern