Karfreitagsbanner an evangelischen Kirchen sorgen für Gesprächsstoff Drucken E-Mail

thumb_1a-kf12bannerwehtRHEIN-LAHN. (29. März 2012) "Was machen die denn da an unserer Kirche?" Eine Frage, die sich in dieser Woche etliche Passanten stellten und beobachteten, wie acht Meter lange Banner an Türmen und Fassaden evangelischer Kirchen befestigt wurden, mit der die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau und viele Kirchengemeinden in den Rhein-Lahn-Dekanaten auf die Bedeutung des Karfreitags als stiller Feiertag aufmerksam machen. Heute Mittag zogen die Kletterer auch Schaulustige in Diez-Freiendiez an.

 

Thorsten Ehrhardt und Marc Streck aus Hochheim, die landesweit an insgesamt 46 Gotteshäusern die Banner befestigen, sind die neugierigen Blicke von unten gewohnt. "Wir machen das für unterschiedliche Auftraggeber jeden Tag, auch an größeren Gebäuden wie etwa in Frankfurt oder am Flughafen", so Ehrhardt. Und bei Arbeiten an Windkraftanlagen bewegen sich die Beiden schwindelfrei bis in 100 Metern Höhe.

thumb_1a-kf12hochkletternthumb_1a-kf12befestigenhalterungAn der Jakobuskirche in Diez-Freiendiez klettert Streck mehr als 20 Meter an der Kirchenfassade nach oben, nachdem Thorsten Ehrhardt das Kletterseil im Glockenturm der Kirche befestigt hat. Im etwa zehn Kilogramm schweren Gepäck hat er neben Bohrmaschine und Halterungen auch das Stoffbanner mit der markanten Hand des gekreuzigten Jesus, der an Karfreitag zum Opfer geworden ist. Die Hand ist von einem Nagel durchbohrt, aus der Wunde fließt Blut. Trotzdem bilden zwei Finger der Hand das "Victory"-Zeichen, Symbol dafür, dass der Tod vom Leben überwunden wurde.

thumb_1a-kf12maikeknieseDer Darmstädter Künstler Ralf Kopp hat das Motiv entworfen. Wer es betrachtet, kann sich fragen: Bin ich ein Opfer oder werden andere zum Opfer durch mein Verhalten? Nicht der einzige Denkanstoß, den das Bild gibt. "Die Symbolik ist faszinierend", sagt die Prodekanin des Dekanats Diez, Pfarrerin Maike Kniese, die die spektakuläre Bannerbefestigung vom sicheren Boden aus betrachtet. Nicht nur sie wird in den kommenden Gottesdiensten über das Motiv der Aktion und die immer mehr in Vergessenheit geratene Bedeutung des Feiertags predigen.

"Die christliche Religion ist keine Kuschelreligion, in der sich alle nur lieb haben sollen", erklärt Pfarrer Markus Bomhard, warum das Banner in den kommenden zwei Wochen auch die evangelische Markuskirche in Braubach "schmückt", was in den beteiligten Gemeinden nicht nur Befürworter, sondern auch schockierte Gesichter auslöst. Vielmehr liege der provokante Ursprung der christlichen Kirche grundsätzlich in der Botschaft des Gottes, der in Jesus nicht nur Mensch wurde, sondern als solcher auch Folter und Hinrichtung am Kreuz ertrug. "Interessanterweise fühlt man sich durch so ein Bild eher provoziert als durch die brutale Realität des Alltags und die Botschaften von Gewalt und Opfern, die uns in den Medien täglich begegnen", so so Bomhard. "Der Kirchenvorstand möchte wachrütteln und diese Gewohnheit hinterfragen." Ohne Karfreitag gäbe es kein Ostern, Beides gehöre unbedingt zusammen. Deshalb müsse Karfreitag auch als staatlich geschützter stiller Feiertag erhalten bleiben.

thumb_1a-kf12aufhaengenblick45 Minuten dauert es, bis die beiden Profi-Kletterer ihr Werk an der Jakobuskirche in Freiendiez vollendet haben. "Das ging flott", sagt Ehrhardt, "in Wiesbaden haben wir zweieinhalb Stunden gebraucht". Dass die Aktion wesentlich länger nachwirkt, davon ist auch er überzeugt. "Der Künstler hat da ein Motiv mit einer eindrucksvollen Symbolik geschaffen. Das sorgt für Gesprächsstoff", ist sich der Industriekletterer sicher. Das erhoffen sich auch Kirchengemeinden und EKHN. Zum Austausch wurde eine Website gestaltet: www.karfreitag.de. Bernd-Christoph Matern

 

Zu den Fotos: Industriekletterer Marc Streck befestigt mit einem Seil gesichert das provokante Banner an der Jakobuskirche in Diez-Freiendiez, mit dem EKHN-weit auf die Bedeutung von Karfreitag als stiller Feiertag aufmerksam gemacht wird. Thorsten Ehrhardt aus Hochheim sorgte für die Befestigung der Banner in der Landeskirche. Fotos: Matern