Kirchenpräsident Jung in Hadamar: Gedenken muss herausfordern Drucken E-Mail

thumb_1a-hadakeller030510HADAMAR/RHEIN-LAHN. (7. Mai 2010) „Diese Gedenkstätte ist eine Aufforderung, allen menschenverachtenden Tendenzen zu widerstehen.“ Das sagte der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Dr. Volker Jung, als er zusammen mit dem Limburger Bischof Dr. Franz-Peter Tebartz-van-Elst in dieser Woche eine blau-weiße Plakette an der Gedenkstätte Hadamar anbrachte, die das Gebäude international als ein schutzwürdiges Kulturgut ausweist. In der ehemaligen „Landesheilanstalt“ wurden zwischen 1941 und 1945 etwa 15000 Menschen mit einer psychischen Krankheit grausam ermordet.

thumb_1a-hadaschild030510aJung erinnerte an Worte des ersten EKHN-Kirchenpräsidenten Martin Niemöller, „die Opfer des unmenschlichen und entarteten Systems niemals zu vergessen“. Niemöller hatte 1964 bei der Umwandlung des Friedhofs in eine Gedenkstätte eine Stele eingeweiht und erklärt, dass an einer solchen Gedenkstätte vor allem deutlich werde, wie schwer es ist, mit Schuld umzugehen. „Wir wollen auch heute keine Gedenkkultur der Selbstzufriedenheit“, sagte Jung.

thumb_1a-hadakpwort030510bMit Niemöller gesprochen müsse der Ort vielmehr dazu beitragen, sich immer wieder zu fragen: „Haben wir aus dem gelernt?“, zitierte Jung. „Oder würden nicht auch wir begierig nach Gründen Ausschau halten, die es uns ermöglichen, dem Risiko, dem vollen Einsatz zu entgehen, der das Leben kosten könnte oder vielleicht kosten müsste?“ Gedenken müsse nach Niemöllers Aufforderung herausfordern. „Wir müssen fragen: Widerstehen wir energisch genug?“, so Jung, „und woran orientieren wir uns?“

Der Limburger Bischof Dr. Franz-Peter Tebartz-van-Elst erinnerte an das entschlossene Vorgehen seines Vorgängers Bischof Antonius Hilfrich, der 1942 gegen die Gräueltaten intervenierte und Mitarbeiter katholischer Heime aufrief, dem staatlichen Vorgehen jedes Zuarbeiten zu versagen, denn auch dessen Duldung sei sündhaft. „Auch heute, in einer Zeit, in der das Leben vor der Geburt, Krankheit und das Leben im Endstadium wieder mit ökonomischen Maßstäben bewertet wird, kann der Name Hadamar deutliche Mahnung sein, den Vorbildern dieser Zeit nachzueifern und entschieden gegen ökonomische oder politische Zwänge Partei für das Leben der Schwachen zu ergreifen“, sagte der Bischof.

„Nicht zuletzt der Protest von Kirchenvertretern hat dafür gesorgt, dass die Gasmorde in Hadamar nach weniger als einem Jahr beendet wurden“, sagte Robert Becker, Präsident der Versammlung des Landeswohlfahrtsverbands (LWV) Hessen, dem Träger der Einrichtung. „Leider wissen wir, dass auch danach noch in Hadamar getötet wurde mit Überdosen von Medikamenten oder durch Unterversorgung“, so Becker, der sich mit dem LWV-Beigeordneten Dr. Peter Barkey dankbar zeigte, dass mit Unterstützung der Kirchen die Bedeutung der Gedenkstätte in heutiger Zeit nicht in Vergessenheit gerate und dass zum Anderen die Auszeichnung als schutzwürdiges Kulturdenkmal die historische wie aktuell überregionale Bedeutung des Ortes unterstreiche.

thumb_1a-hadaausstellunga030510gManfred Weber von der Unteren Denkmalschutzbehörde des Kreises Limburg-Weilburg verlas die Kulturdenkmal-Urkunde, die auf der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgütern auch bei bewaffneten Konflikten basiert und der sich bis heute 123 Staaten angeschlossen haben. Zusammen mit den LWV-Vertretern, dem Leiter der Gedenkstätte, Dr. Georg Lilienthal und Hadamars Bürgermeister Michael Ruoff besichtigten Tebbartz-van-Elst und Jung anschließend die Ausstellungsräume im Erdgeschoss sowie tief bewegt die ehemaligen Gaskammern, Seziertische und Wege zur Verbrennungsanlage im Keller der Gedenkstätte.

Seit 1953 erinnert der LWV mit einem Relief an die Ermordungen in Hadamar. 1983 entstand in den Räumen der ehemaligen Tötungsanstalt und auf dem Außengelände eine Gedenkstätte. Die Zahl der Besucher steigt kontinuierlich. Allein im vergangenen Jahr wurden laut Barkey 18000 Besucher – in der Mehrzahl Schulklassen und junge Erwachsenen-Gruppe – in der Gedenkstätte gezählt, die sich auf dem Gelände der heutigen Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie befindet. Außerdem mehren sich die Anfragen von Personen, deren Angehörige in Hadamar ermordet wurden. Dazu steht eine Datenbank zur Verfügung, die alle Opfer namentlich verzeichnet. Bernd-Christoph Matern

Bildunterzeilen
Foto oben links: EKHN-Kirchenpräsident Dr. Volker Jung und der Limburger Bischof Dr. Franz-Peter Tebartz-van-Elst (links) befestigten mit LWV-Präsident Robert Becker und dem LWV-Beigeordneten Dr. Peter Barkey (2. von links) die blau-weiße Plakette, die die Gedenkstätte Hadamar als schutzwürdiges Kulturdenkmal kennzeichnet. Fotos: Bernd-Christoph Matern