Kirchenpräsident will mehr und sachlichere Kommunikation Drucken E-Mail

thumb_1sg_kp_totale_18_esther-stosch_FRANKFURT/RHEIN-LAHN. (10. August 2018) Die Kommunikation mit Kirchenmitgliedern, Flüchtlingspolitik und der Umgang mit Mesut Özil waren Themen bei einem ersten Sommergespräch mit dem Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) Volker Jung. Fast 50 Vertreter weltlicher und kirchlicher Medien nahmen an der Premiere des Formats in Frankfurt teil.

Es war das erste „Sommergespräch“, zu dem Jung ins Dominikanerkloster in Frankfurt eingeladen hatte. Jung selbst, gerade zurück aus seinem Urlaub, erklärte zunächst, was ihn in den vergangenen Wochen besonders beschäftigte. „Was wir da gerade im Mittelmeerraum erleben, ist ein humanitäres Desaster“, sagte der Kirchenpräsident und erinnerte an die Reise nach Malta von Manfred Rekowski, dem Vorsitzenden der Kammer für Migration und Integration der EKD. Angesichts der europaweiten Diskussion um die Aufnahme von Flüchtlingen betrachte Jung mit Sorge, wie „die Werte, auf die sich Europa immer wieder berufen hat, nun zerstört werden“.

Gerade jetzt wäre eine europäische Integrationspolitik dringend nötig, stattdessen gehe es in den Debatten zunehmend um Emotionen und weniger um Fakten. Problematisch sei, so Jung, dass die CSU versuche, der AfD die Themen zu entreißen. Dies verursache vor der Landtagswahl in Bayern und der Europawahl 2019 einen bedenklichen Rechtsruck. Statt Realpolitik gäbe es nur noch Symbolpolitik. Die Kirchen aber hätten bereits seit 2014 immer wieder aus Sicht der betroffenen Menschen, die Schutz suchen, ihre politischen Forderungen formuliert.

thumb_1a-sg070818kpvl_becrima-Unmöglich fand es Jung, an dem Fußballer Mesut Özil festmachen zu wollen, ob Integration in Deutschland gelungen ist oder nicht. Die Reaktionen brächten ihn eher zum Nachdenken, ob Deutschland nicht vielleicht doch ein „Rassismus-Problem“ habe. Den Fall empfinde er nicht als eine Frage von Integration, sondern eine der Kommunikationskultur des DFB. Von diesem hätte er erwartet, dass er sich schützend hinter Özil stellt anstatt ihn zu verurteilen. Auch wenn Özils Bekenntnis zu Erdogan sicherlich problematisch sei, so hätten die DFB-Funktionäre allein schon aus Sportsgeist den Fußballer aus der Kritik nehmen sollen. Aber, so Jung, „man hat beim DFB wohl gedacht, wenn der Ball rollt, ist das Foto schnell vergessen“.

Mehr Sachlichkeit in digitalen Medien

Gerade in den sozialen Netzwerken gäbe es derzeit eine unschöne Entwicklung. Jung, der selbst einen Facebook-Account betreibt, beobachte, dass es in Diskussionen kaum noch um Fakten gehe. Er selbst wünscht sich auch im Umgang mit rechtspopulistischethumb_1a-sg070818kpdrvolkerjung_becrima-n Themen mehr Sachlichkeit. So lehne er eine pauschale Verurteilung der AfD ab, obwohl es gerade von Kirchenvorständen den Wunsch gebe, seitens der Kirchenleitung eine klare Richtschnur zu erhalten. In der Auseinandersetzung mit der AfD sei aber die sachliche Diskussion von Argumenten wichtig.

Jung bezeichnete sich selbst als „zerrissen“, ob er weiterhin Facebook nutzen soll. Angesichts datenschutzrechtlicher Probleme kämen ihm schon Zweifel. „Allerdings kommt man nicht umhin, Facebook zu nutzen, um viele Menschen zu erreichen“, betonte der Kirchenpräsident. Er sehe es positiv, dass die EKHN auf vielen Kanälen kommuniziere, sowohl ganz klassisch traditionell auf Gemeindeebene mit Gottesdiensten und Hausbesuchen. Aber auch die mediale Kommunikation sei sehr wichtig, um mit den Mitgliedern in Kontakt zu bleiben. Dazu gehören Verkündigungssendungen im Radio ebenso wie interaktive Gottesdienste via Internet oder die Kommunikation in den sozialen Netzwerken. Jung: „Ich sehe die größte Herausforderung darin – und da dürfen wir uns nicht viel Zeit lassen – Kommunikation zu intensivieren."

Enttäuschend sei für ihn der Rückgang der Kirchenmitglieder, wie ihn die kürzlich vorgelegte Statistik aufweise. „Da kann man nichts schönreden“, so der Theologe. Was man dagegen tun könne, sei schwierig zu beurteilen. Er halte es mit dem Religionssoziologen Detlef Pollack, der den Kirchen attestierte, eigentlich nichts falsch zu machen. Es gebe eben derzeit eine religiöse Indifferenz, den Menschen sei Kirche egal geworden, so Pollack. „Wenn wir schon nichts falsch machen, was machen wir denn richtig?“, fragte der Kirchenpräsident und gab die Antwort gleich selbst: „Wir setzen auf vielfältige Kommunikationswege. Da können Menschen auch außerhalb der Gemeinde andocken.“ Mehr Kommunikation, auch digital, lautet Jungs Devise. (pwb)

Im Herbst wird Jung als Autor ein Buch zum Thema Digitalisierung herausgeben: „Digital Mensch bleiben“, das beim Claudius-Verlag erscheint.

Zu den Fotos:
Erstmals hatte Kirchenpräsident Volker Jung Medien zu einem Sommergespräch eingeladen. Dabei ging es um Flüchtlingspolitik, die Debatte um Mesut Özil, neue Medien und die Kommunikationswege der Landeskirche. Fotos: Esther Stosch/B.-Chr. Matern