Miehlener Mahnwache: Quelle der Toleranz und des Miteinanders Drucken E-Mail

thumb_1a-mahnmiehlen16schraeg_becrima-MIEHLEN/RHEIN-LAHN. (15. November 2016) Gegen das Vergessen war in diesem Jahr wieder das Motto einer Mahnwache am Miehlener Marktplatz. Die evangelische Kirchengemeinde Miehlen und die katholische Pfarrei St. Peter und Paul hatten zu ihr am Jahrestag der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 eingeladen.

"Die Erinnerung an die schrecklichen Ereignisse vor nunmehr 78 Jahren sollten weiterhin wach gehalten werden“, begrüßte Lothar Bindczeck bei Regen und Kälte die Besucher an der Gedenktafel für die Miehlener jüdischen Glaubens, die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung wurden. Vor der Tafel standen 27 Lichter.

Alltägliche Ausgrenzungen aus Arbeit, Schule, Freizeit und dem gesamten gesellschaftlichen Leben, die beständig verschärft wurden und immer schon mit gewalttätigen Übergriffen einher gingen, schlugen in dieser Nacht um in eine von einer breiten Masse ausgeübten oder geduldeten Gewalt, erinnerte Bindczeck. „Diese gemeinsame Erinnerung ist vor allem auch für uns Christen eine wichtige Quelle für Toleranz und ein versöhntes Miteinander“, so Bindczeck; und das Gedenken sei ein wichtiger Beitrag „für die Gestaltung eines humanen Miteinanders in unserem Volk“. Deshalb dürfe darin nicht nachgelassen werden.

Gemeindepfarrer Michael Wallau erzählte von einer sehr bewegenden Begegnung im Mai dieses Jahres mit dem Sohn eines nach Amerika geflüchteten Juden, dessen familiäre Wurzeln nach Miehlen führen. Wallau führte den Gast aus New York und dessen Frau durch die Mühlbachgemeinde in die Hauptstraße. Dort wurde dessen Großvater, ein Viehhändler, 1878 geboren. Auch zum jüdischen Friedhof führte Wallau die Besucher: „Welch bewegender Moment, als wir uns durch die Hecke gezwängt hatten: Zweimal Hermann vor unserer Nase, direkt die ersten beiden Grabsteine.“ Es handelte sich um die 1921 gestorbene Urgroßmutter des New Yorkers und dessen Tante Flora, also die Schwester des Vaters, die schon 1918 im Alter von acht Jahren gestorben war.

Die hebräischen Inschriften der Grabsteine machten deutlich, wie verwurzelt und beheimatet diese Menschen in Miehlen waren, „wie wir alle“, so Wallau. „Hier liegt verborgen ein kluges Mädchen, liebenswürdig auf all ihren Wegen... Zierde ihrer Freundinnen...Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens“, zitierte Wallau aus der Inschrift des Grabsteins für das Mädchen. Der Miehlener Pfarrer umrahmte zusammen mit Conner Sorensen mit Geigenmusik und jüdischen Liedern, melancholischen wie fröhlichen, das Gedenken. Schilderungen aus der Pogromnacht sowie Gebete und Stille rundeten die halbstündige Gedenkfeier ab. Bernd-Christoph Matern

Zum Foto:
27 Lichter stellvertretend für 27 Miehlener Einwohner, die Opfer der NS-Herrschaft und eines enthemmten Hasses wurden. Foto: Matern