Neujahrsempfang macht nicht nur mit Luther-Zitat Mut fürs Jahr 2017 Drucken E-Mail

thumb_1a-nje17mandolinen_becrima-RHEIN-LAHN. (18. Januar 2017) „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“ Mit diesen Worten, die Martin Luther zugesprochen werden, lud Landrat Frank Puchtler zu einem optimistischen Blick für 2017 ein, als er beim traditionellen Neujahrsempfang des Rhein-Lahn-Kreises auch Dekanin Renate Weigel begrüßte und dabei auf den 500. Jahrestag der Veröffentlichung von Luthers 95 Thesen am 31. Oktober 2017 hinwies.

thumb_1a-nje17puchtler_becrima-Puchtler hatte zuvor den Gemeinschaftsgeist der Menschen im Rhein-Lahn-Kreis hervorgehoben und ein aufs Miteinander bedachtes Ehrenamt, mit dem es gelungen sei, die Herausforderungen des Jahres 2016 zu meistern, zu denen er die Zuwanderung von Flüchtlingen und die Folgen eines Starkregens zählte. „Weniger ich, mehr wir!“, propagierte der Landrat als Orientierung ebenso fürs Jahr 2017. Dazu zähle auch, Fehler ein- und zuzugestehen, anstatt gleich aufeinander einzudreschen.

Mit vielen interessanten Fakten und Zahlen wartete Professor Dr. Stefan Sell vom Institut für Sozialpolitik und Arbeitsmarktforschung an der Hochschule Koblenz auf und warnte vor einer dramatisierenden Wahrnehmung der Wirklichkeit über soziale Medien. Die Zahl von Morden und Vergewaltigungen etwa sei in den vergangenen 40 Jahren deutlich zurückgegangen. Die massenhafte und deutschlandweite Verbreitung von Einzelfällen über die elektronischen Medien sorge dagthumb_1a-nje17sell_becrima-egen für ein wachsendes Gefühl der Unsicherheit.

Sell umriss aber auch tatsächlich bevorstehende Herausforderungen wie etwa den drastischen Rückgang von Fachkräften oder den Anstieg der Altersarmut, die durch Zuwanderung keineswegs 1:1 ausgeglichen werden könnten. Und es sei ein Unterschied, in Europa um ausländische Arbeitskräfte zu werben oder in ganz anderen Kulturkreisen wie etwa Nordafrika. Als eins von vielen konkreten Bespielen nannte er den steigenden Bedarf an Pflegekräften im Land. „Auch im Rhein-Lahn-Kreis werden die osteuropäischen Pflegekräfte weniger werden“, so Sell. Winzer und Spargelbauern merkten bereits, dass sich auch in Osteuropa allmählich mehr Geld verdienen lasse.

thumb_1a-nje17spiegel_becrima-thumb_1a-nje17gaeste_becrima-Ein großer Fehler sei seiner persönlichen Überzeugung nach die Abschaffung der Wehrpflicht gewesen. Nicht weil er die Bundeswehr so toll finde, sondern weil jungen Menschen damit die Erfahrungen ihres Zivildienstes in sozialen Einrichtungen fehle. Positiv stimmte am Ende sein relativierender Blick ins Zeitungsarchiv. Denn die reißerische Warnung vor einer Arbeitsmarkt-Katastrophe, weil Computer und Roboter die Menschen arbeitslos machen, zierte nicht nur die Titelseite des Magazins „Der Spiegel“ im Jahr 2016, sondern fast identisch illustriert schon im Jahr 1978 und schon einmal im Baby-Boomer-Jahr 1964.

Ein viel beklatschter Vortrag, der zudem jede Menge Gesprächsstoff für den anschließenden Austausch beim Neujahrsempfang bot, den der Mandolinenclub Oelsberg musikalisch bereicherte. Bernd-Christoph Matern 


Zu den Fotos:

Statt postfaktischer medialer Hysterie zu verfallen propagierte Professor Stefan Sell in seinem Vortrag, die durch Fakten bevorstehenden wahren Herausforderungen der Zukunft anzugehen. Landrat Frank Puchtler beschwor das gemeinschaftliche Miteinander der Menschen und Institutionen im Rhein-Lahn-Kreis. Fotos: Matern