Orgeltour durch den Kreis beeindruckt mit Information und Klangvielfalt Drucken E-Mail

thumb_1a-ot050915registernoten_becrima-thumb_1a-ot050915kantorendau_becrima-RHEIN-LAHN. (11. September 2015) „Die Orgel ist doch in meinen Augen und Ohren die Königin aller Instrumente.“ Mit diesem Zitat von Wolfgang Amadeus Mozart verabschiedete Claire Metzmacher die Teilnehmenden einer ebenso informativen wie hörenswerten Orgeltour durch den Rhein-Lahn-Kreis. Zu der hatte die evangelische Bildungsreferentin zusammen mit den drei Kantoren der Dekanate Diez, Nassau und St. Goarshausen eingeladen.

Wahre musikalische Schätze eröffneten die Dekanatskantoren Martin Samrock (Diez), Markus Ziegler (St. Goarshausen) und Ingo Thrun (Nassau) für die Gäste der Tour, die am Morgen in Ackerbach begann und dann nach Diethardt, Dornholzhausen und Dausenau führte. Gut protestantisch fungierte die Orgel hier und da auch als Begleiterin von Chorälen, die die Besucher anstimmten. Tonbeispiele passend zum Baujahr und dem Klangbild der Pfeifen sowie Blicke ins Innere der Instrumente rundeten die anschauliche Begegnung mit dem Königin-Instrument ab.

thumb_1a-ot050915ackerbachguck_becrima-thumb_1a-ot050915holzpfdieth_becrima-Nicht nur manch kompositorisches Kleinod wurde während der Tour zutage gefördert. „Ich wusste gar nicht, wo Ackerbach liegt, geschweige denn, dass es dort eine Kirche gibt“, meinte eine der etwa 50 Mitreisenden und war mit dieser Feststellung nicht allein. Aber nicht nur die Kirchentüren öffneten sich an den vier Stationen der ganztägigen Tour. Nach kurzen Erläuterungen zu den Gotteshäusern selbst stellten die Kirchenmusiker die Besonderheiten der Instrumente vor. „Wer sportlich ist, kann mich jetzt gern mit etwas Wind versorgen“, machte Martin Samrock in Ackerbach darauf aufmerksam, dass die Orgel im Biedermeiercharakter auch noch ohne Strom spielbar ist, wenn jemand den Blasebalg betätigt.

Es fand sich aber niemand. Also demonstrierte er mit Strom und ausgewählten Hörbeispielen die Funktion einer Walze, die dort den Registereinsatz regeln kann oder auch die dynamischen Varianten, die dort eine besondere Kombination von Pedal und Manual ermöglicht. „Besonders erstaunlich finde ich, dass hier ausgerechnet in einer Zeit der Wirtschaftskrise ein solches Instrument gebaut wurde“, sagte Samrock.

thumb_1a-ot050915pfeifendiet_becrima-thumb_1a-ot050915diethardtsopp_becrima-Wie technisch überhaupt mit einer Kirchenorgel Töne durch die Zufuhr von Luft und das Öffnen und Verschließen von Pfeifenöffnungen erzeugt werden, erläuterte Markus Ziegler in Diethardt. Das Instrument stammt vom Orgelbauer Johann Wilhelm Schöler, der 1749 in Bad Ems seine Werkstatt eröffnete und dort zu großem Ansehen gelangte. Seine Baukunst sorgt noch in vielen anderen Kirchen der Region für den Orgelklang, meist mit einmanualigen Instrumenten. „In Herschbach im Westerwald soll es sogar ein dreimanualiges Instrument von ihm gegeben haben“, erzählte Ziegler, der daran erinnerte, dass sich die Sanierung von Instrumenten häufig am jeweiligen Hörgeschmack ihrer Zeit oder der Sanierer orientierte oder auch am Geldbeutel der Gemeinden.

thumb_1a-ot050915diethardtmetz_becrima-thumb_1a-dornholzhausenorgel01_becrima-Wie diese Manuale, also die mit den Händen zu spielenden Tasten, und die Pedale, die mit den Füßen gespielt werden, klanglich kombiniert und gekoppelt werden können und welche Rolle Pfeifenlänge und -beschaffenheit aus Metall oder Holz zukommt – all das wurde auch nach einem gemeinsamen Mittagessen in Nastätten beim Besuch der Orgel in Dornholzhausen anschaulich in Wort und Klang demonstriert. Im Gegensatz zu Diethardt standen dabei keine barocken, sondern eher klassizistische Klänge im Mittelpunkt, die Kantor Ingo Thrun zu Gehör brachte. Gerade bei den vermeintlich „einfachen“ Orgeln in den drei kleinen Kirchen beeindruckte der Reichtum an musikalischen Facetten, den die drei Profis den Instrumenten abzugewinnen wussten.

thumb_1a-ot050915dauempfang_becrrima-thumb_1a-ot050915dauziegler_becrima-Den krönenden konzertanten Abschluss bildete der Besuch in der St. Kastorkirche Dausenau, wo die Tour-Teilnehmer mit Kaffee und Kuchen empfangen wurden. An der jüngsten der vier besuchten Orgeln, die von der Firma Förster & Nicolaus erbaut und an Ostern 2006 eingeweiht wurde, ließen alle drei Kantoren ihrer Kunst noch einmal freien Lauf. Sowohl in leisen, besinnlichen Kompositionen und Fantasien als auch in zeitgenössischen kraftvoll ausdrucksstarken Toccaten und Hommagen an Charles-Marie Widor oder Marcel Dupré zeigten sie, was an Klangpracht in dem Instrument steckt und ließen so noch einmal hör- und spürbar werden, warum Mozart die Orgel konkurrenzlos als „Königin der Instrumente“ bezeichnete und dass sie es bis heute geblieben ist. Bernd-Christoph Matern

Zum Foto (oben rechts):
In Dausenau brillierten noch einmal alle drei Dekanatskantoren am 2006 gebauten Königin-Instrument: Martin Samrock (sitzend), Markus Ziegler (rechts) und Ingo Thrun. Nicht nur offene Kirchentüren bescherte die Orgeltour durch den Rhein-Lahn-Kreis. Die Kantoren öffneten auch manche Tür an den Orgeln und gewährten interessente optische und akustische Eindrücke von den unterschiedlichen Instrumenten. Fotos: Bernd-Christoph Matern