Palliativ-Pflege: Auf dem Weg in den Tod nicht allein bleiben Drucken E-Mail
thumb_10-a-mariongemmerRHEIN-LAHN/NASTÄTTEN. (3. September) Kranken Menschen mit einer deutlich eingeschränkten Lebenserwartung und den dadurch bedingten Schmerzen und anderen körperlichen Symptomen zu helfen, ist Zielsetzung der Palliativmedizin und -pflege. Leiden lindern ist ihr Anspruch. Palliativstationen in Krankenhäusern, spezialisierte Hausärzte, Pflegekräfte, Hospizdienste und Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche sorgen im Rhein-Lahn-Kreis mit einem palliativmedizinischen Netzwerk dafür, den besonderen Ansprüchen der Palliativ-Patienten und ihrer Angehörigen gerecht zu werden.

Der ganzheitliche Ansatz der Palliativmedizin erfordert entsprechende Fachkräfte, zu denen auch die evangelische Kirche beiträgt. Marion Gemmer aus Biebrich (Foto) ist eine der Kräfte, die sich jetzt während einer einjährigen Weiterbildung zur Fachkraft „Palliativ Care“ ausbilden ließ. Auch eine Hospitanz auf der Palliativstation des Nastättener Krankenhauses gehörte dazu. „Hier kann der Patient nah und intensiv betreut werden“, sagt die gelernte Altenpflegerin, die seit zwei Jahren bei der kirchlichen Sozialstation in Diez arbeitet.

Den Wünschen der „Gäste“ – so werden die Patienten und ihre Angehörigen in der Palliativpflege genannt – werde so weit es geht entsprochen. Die Begleitung orientiere sich an den vielfältigen Problemen, die eine Betreuung pflegerisch und ärztlich rund um die Uhr erfordert. Der Gast steht im Mittelpunkt und bestimme etwa, wann er frühstücken möchte, die Körperpflege an der Reihe ist oder ob ein Gespräch für ihn im Moment hilfreicher ist. „Und er zeigt, wenn er allein sein möchte.“

Natürlich gehörten auch alltägliche Pflegetätigkeiten zur Palliativ Care. Aber bei der Körperpflege, der Lagerung wundgefährdeter Patienten oder Verbandwechseln stehe immer an erster Stelle, dass sich der Gast wohlfühlt. Das Ziel, die Situation des Patienten so zu stabilisieren, dass er wieder nach Hause gehen kann, wird stets im Auge behalten. „Viele Menschen, die hier in der Regel für die Rückkehr ins vertraute Leben zuhause vorbereitet werden, stehen vor schwierigen Entscheidungen“, sagt Gemmer.

Da stelle sich etwa die Frage, ob entlastende Spezialoperationen oder Therapien durchgeführt werden. Beunruhigende Gedanken über die Zeit nach dem Tod, wie es in der Familie, mit Partner oder Kindern weitergeht, beschäftigen die Patienten, schildert die Schwester. „In der Zeit des stationären Aufenthaltes trägt man etwas mit und zeigt den Menschen vor allem: Du bist nicht allein.“ D

ie Altenpflegerin aus Biebrich war sehr froh, als ihr von der Sozialstation die Weiterbildung zur Fachkraft „Palliativ-Care“ und damit auch die Hospitanz auf der Palliativstation in Nastätten angeboten wurde, die Dank des guten Kontakts zwischen den beiden pflegerischen Leitungen Eveline Scheffler in Diez und David Brenner in Nastätten ermöglicht wurde. Der ausgebildete Lehrer für Pflegeberufe achtete darauf, dass die Hospitantin ihre theoretischen Kenntnisse in die Praxis umsetzen konnte. „Mir liegt das“, so Gemmer.

Der Respekt, mit denen sie ihrer Klientel begegnet, tut nicht nur diesen, sondern auch ihr gut. „Ich habe eine Krebspatientin gepflegt. Die war geprägt von ihrem Glauben so etwas von lebensfroh, das hat mich fasziniert!“, erzählt Gemmer, wie ihr Beruf auch eine innere Bereicherung für sie selbst darstellt. „Durch diese Tätigkeit hat auch für mich der Tod etwas von seinem geheimnisvollen Schrecken verloren, ist kein Tabuthema mehr, sondern etwas ganz Natürliches, das zum Leben dazu gehört.“

Für Eveline Scheffler, Leiterin der Diezer Sozialstation, und David Brenner ist die Weiterbildung Gemmers eine wichtige Ergänzung des stationären wie ambulanten Angebots. „Viele Leute meinen, die Patienten würden zum Sterben in einer Palliativstation aufgenommen“, so Scheffler. Das sei ja gerade nicht der Fall, vielmehr soll der stationäre Aufenthalt den Verbleib in der vertrauten Umgebung vorbereiten. „Selbstverständlich wird kein Patient, bei dem sich der Allgemeinzustand verschlechtert, von der Palliativstation verlegt, sondern er wird bis zum Ende pflegerisch und ärztlich begleitet“, so Brenner.

Sowohl in der stationären als auch ambulanten Begleitung der Patienten und ihrer Angehörigen sichern speziell ausgebildete Pflegekräfte und Ärzte die kontinuierliche Qualität der Versorgung. „Mit einer qualifizierten Kraft wie Frau Gemmer können wir die Patienten als auch deren Angehörige dabei jetzt noch besser unterstützen“, so Scheffler. Dabei sei unter anderem die ständige Erreichbarkeit rund um die Uhr unabdingbar.

Zu den Professionen, die auf der Palliativstation gefragt sind, gehört auch die Seelsorge. Pfarrer Michael Wallau aus Ruppertshofen ist einer der Menschen, die sich der Begleitung der Palliativpatienten und ihrer Angehörigen annehmen. Der Seelsorger besucht mindestens zweimal in der Woche die Palliativstation des Stiftungsklinikums Mittelrhein (SKM) im Diakoniezentrum Paulinenstift in Nastätten, um mit den Patienten ins Gespräch zu kommen.

„Was mit einem Small-Talk beginnt, entwickelt sich immer wieder zu einem sehr intensiven seelsorgerischen Gespräch“, berichtete Wallau bei einem Besuch des Dekanatssynodalvorstandes in Nastätten. Für den Theologen ist die Bedeutung des Begriffs „Palliativ“, der sich aus dem Lateinischen „pallium“ (Mantel) ableitet, die seelsorgerische Aufgabenstellung seines Dienstes. „So wie uns ein Mantel schützend umhüllt, so soll die Palliativversorgung die Menschen mit einem Schutzmantel umgeben, ihnen eine bestmögliche Versorgung in Krankheiten zukommen lassen, die nicht mehr geheilt werden können.“

Der Dekanatsbeauftragte für Kranken-, Alten- und Palliativseelsorge im evangelischen Dekanat St. Goarshausen weiß, dass auch angesichts des nahenden Todes nicht Sprach- und Hilflosigkeit das letzte Wort haben müssen. sondern dass etwa Gebete den Betroffenen sehr viel geben können.

Informationen über die ambulante Versorgung von Palliativ-Patienten gibt unter anderem die kirchliche Sozialstation Diez unter Telefon 06432/91980. Informationen zum palliativmedizinischen Netzwerk Rhein-Lahn und der Palliativstation des Stiftungsklinikums Mittelrhein in Nastätten gibt es unter Telefon 06772/8048708. Bernd-Christoph Matern

thumb_10-a-dsv-palliativ-stationDr. Thomas Rösel, Leitender Arzt der Palliativstation, Pfarrer Michael Wallau und der pflegerische Leiter der Station David Brenner informierten jüngst den Dekanatssynodalvorstand mit Präses Anja Gemmer, Siegfried Burdinski, Dekan Mathias Moos und Pfarrer Harald Peter Fischer (von links) über die Arbeit der Palliativstation. Fotos: Matern 

Palliative Situation

Von einer palliativen Situation sprechen Mediziner, wenn eine Erkrankung nicht mehr heilbar, weit fortgeschritten, und die Lebenszeit dadurch begrenzt ist. Davon sind in Deutschland jährlich allein knapp 200.000 Krebspatienten betroffen. In der Palliativmedizin, die sich nicht nur auf Krebserkrankungen beschränkt, geht es vor allem um die Linderung von Leiden.

Das Konzept der Palliativmedizin akzeptiert das Sterben als Teil des Lebens. Der Tod soll weder beschleunigt noch hinausgezögert werden. Palliativmedizin lehnt aktive Sterbehilfe kategorisch ab.

Die ganzheitliche Behandlung in der Palliativmedizin zielt auf das Wohlbefinden des Patienten im körperlichen, seelischen, sozialen und spirituellen Bereich ab. Angehörige werden mitbetreut.

Das Angebot umfasst die lindernde Behandlung körperlicher Beschwerden, die Betreuung in den letzten Lebenstagen, Beratung und Unterstützung der Familie und Begleitung in der Trauerphase.

Die Begleitung (Pflege und Therapie) kann je nach Befinden des Patienten palliativ-ambulant (zuhause) oder palliativ-stationär (Palliativstation) erfolgen. Das Angebot eines Hospiz-Aufenthalts richtet sich an Patienten, die nicht mehr palliativ-pflegerisch und -ärztlich betreut werden können. Hier steht die Begleitung bis zum Tod im Vordergrund.