FRANKFURT/RHEIN-LAHN. Wie die Kirchengemeinden im Rhein-Lahn-Kreis ans Reformationsjubiläum erinnern, das erfahren Besucher einer Einstimmung aufs Reformationsjahr am Sonntag, 23. Oktober um 17 Uhr in der evangelischen Martinskirche in Bad Ems. Das Reformationsjahr 2017 lebt in diesem Jahr auch während der Frankfurter Buchmesse auf. Auf Schritt und Tritt begegnen den Besuchern dort Bücher, Bilder, auch Objekte und Spiele, die den 500. Jahrestag der Veröffentlichung von Martin Luthers Thesen zum Thema haben. Eine neue Lutherübersetzung der Bibel wurde dort ebenso erstmals vorgestellt.
Ab morgen ist die Messe auch für Privatbesucher geöffnet. Gesellschaftsspiele, Luther-Figuren, Backformen oder Sonderstempel – die Auswahl an reformatorischen „Devotionalien“, die während der weltgrößten Buchmesse vorgestellt werden, ist ebenso groß wie facettenreich. Aber nicht nur christliche Verlage und Institutionen machen mit neuer Literatur zur Reformation auf das historisch so bedeutsame Jubiläum aufmerksam. Das Thema „Wandel und Veränderung“ springt auch in anderen Publikationen immer wieder ins Auge.
Wolf Biermann etwa schreibt in seiner mit „Warte nicht auf bessere Zeiten!“ betitelten Autobiographie über die fremd- wie selbstbestimmten Veränderungen in einem Menschenleben, über Mut, Utopien und die „hoffnungslose Hoffnung auf die Vernunft der Menschen“, die der 80-jährige Liedermacher und Autor noch immer nicht aufgegeben hat, wie er den Besuchern der Buchmesse erzählte.
Fundamental unverändert blieb das Buch der Bücher, die Bibel, auch wenn sie nach mehr als 30 Jahren wieder einmal kritisch geprüft und überarbeitet wurde. 70 Theologinnen und Theologen machten sich ans Werk, um zum Einen eine größere sprachliche Genauigkeit zu erzielen und zum Anderen der Sprachkraft Martin Luthers gerecht zu werden. 40 Prozent der 30.442 Verse des Alten und Neuen Testaments wurden verändert. Die Fachleute erstaunt dabei, dass die neue Übersetzung der Sprache Luthers wieder näher kommt und trotzdem an Verständnis für die Leserinnen und Leser des 21. Jahrhunderts zugelegt hat. Die Deutsche Bibelgesellschaft stellte das neue Werk an ihrem Verlagsstand vor in unterschiedlichen Versionen, vom Standard über die Geschenkausgabe bis hin zur Altarbibel. Eine Großdruck-Ausgabe ist in der Planung.
Wer sich damit beschäftigen möchte, was die mit Luthers Thesenanschlag am 31. Oktober 1517 ausgelöste Reformation den Menschen auch 500 Jahre später noch zu sagen hat, dem sei eine andere Neuerscheinung empfohlen: „Die Welt verändern“ haben Reformationsbotschafterin Margot Käßmann und Heinrich Bedford-Strohm, der EKD-Ratsvorsitzende, das von ihnen im aufbau-Verlag erschienene Buch zum Jubiläum betitelt. Darin findet sich nicht nur Wissenswertes über die Reformation, ihre Ideen, Ziele und wichtigsten Vertreter. Vor allem geht es darin um die Frage, inwieweit der Glaube heute noch Antwort auf die drängenden Fragen der Gegenwart sein kann. Darüber sprechen Käßmann und Bedford-Strohm mit Dunja Hayali, Jakob Augstein, Gregor Gysi, Mouhanad Khorchide und Walter Homolka.
„Gott los werden? Wenn Glaube und Unglaube sich umarmen“, heißt ein Buch, in dem die beiden bekannten Autoren Pater Anselm Grün und Tomáš Halík erklären, dass eine gute Portion Zweifel und manchmal auch Unglaube wichtig sind, um zu einer Spiritualität zu gelangen, die gegen die Versuchungen von emotionalem Stillstand und Fundamentalismus gewachsen ist und die im Leben tragen kann. Während Atheismus, Zweifel und Skepsis den Alltag prägten, spürten auch Gläubige manchmal Gottesferne.
Luthers Schriften haben den jungen Augustiner-Mönch Anfang des 16. Jahrhunderts fast das Leben gekostet, als er sich weigerte, seine Thesen zu widerrufen. Aber auch im 21. Jahrhundert kann das Schreiben in Gefahr bringen. Das machte etwa der Auftritt des türkischen Journalisten Can Dündar deutlich. Spionage und Verrat von Staatgeheimnissen wirft ihm die türkische Staatsanwaltschaft vor nach seiner Berichterstattung über Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes. „Lebenslang für die Wahrheit“ hat er sein Buch genannt, dass über seine Recherchen, deren Publikation und seine Erfahrungen in der Untersuchungshaft erzählt.
Und auch während der Eröffnungsfeier fiel ein Satz, der schon zu Zeiten der Reformation passend gewesen wäre. „In unserer von Spaltung, Dissens und Konfrontation geprägten Zeit muss die Buch- und Medienbranche ihre wichtige Rolle wahrnehmen. Gerade jetzt braucht die Gesellschaft starke und unabhängige Ideen- und Inhaltsvermittler, die Informationen und Geschehnisse einordnen, hinterfragen und differenzieren. Bücher verbreiten Wissen, Geschichten und Erfahrungen. Nie waren Buchmenschen und Kulturschaffende wichtiger als heute“, sagte dabei Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.
Zur 68. Frankfurter Buchmesse vom 19. bis 23. Oktober werden rund 7.100 Aussteller aus über 100 Ländern erwartet. Damit bewegt sich die Buchmesse größenmäßig auf Vorjahresniveau. Rund 4.000 Veranstaltungen sind im Veranstaltungskalender der Buchmesse gelistet. Bernd-Christoph Matern
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