Sozialen Herausforderungen im Nassauer Land vernetzt begegnen Drucken E-Mail

thumb_1a-awo200214carmenprasse_becrima-NASSAU. (25. Februar 2014) Welche Herausforderungen im sozialen Bereich auf die Region des Nassauer Landes zukommen, wurde jetzt im Zentrum der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Nassau diskutiert. Zwei Referenten gaben dabei Denk- und Handlungsanstöße für ein und dieselbe Entwicklung: den Bevölkerungsschwund insbesondere an jungen Menschen im ländlichen Bereich.

Peter Nettesheim, AWO-Vorsitzender in Nassau und Matthias Metzmacher, Pfarrer für gesellschaftliche Verantwortung der evangelischen Kirche Rhein-Lahn, begrüßten Carmen Prasse vom Stabsbereich „Chancengleichheit“ der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) sowie den Generalsekretär der „G. u. I. Leifheit-Stiftung“ Werner Stump in der Schlossstraße.

Prasse skizzierte unter dem Motto „Wenn Eltern älter werden“ die konkreten Probleme, die Kinder bei der Betreuung ihrer pflegebedürftigen Eltern erfahren und noch verstärkt erwartet. Mit rund fünf Millionen gebe es heute bereits mehr pflege- und hilfsbedürftige Menschen als Kinder unter 6 Jahren, beschrieb Prasse die Lage. Gleichzeitig verringere sich bis zum Jahr 2030 die Zahl pflegender Personen um etwa 30 Prozent. 46 Prozent der Pflegebedürftigen würden ausschließlich durch Angehörige versorgt.

Die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Pflege belaste vor allem viele Frauen, so Prasse, wenngleich sich immer mehr Männer insbesondere um pflegebedürftige Partnerinnen kümmerten. Neben dem Hinweis auf gesetzliche Grundlagen, finanzielle Belastung und Förderung sowie auf die Beratung durch die Pflegestützpunkte (PSP) mahnte die Referentin vor allem eine höhere Akzeptanz für die Situation pflegender Menschen in der Gesellschaft und in der Arbeitswelt an.

Dabei verglich sie den Umgang mit pflegenden Arbeitnehmern mit dem von Schwangeren und jungen Eltern. „Der Fachkräftemangel wird Unternehmen zum Umdenken bringen müssen“, so Prasse, wobei sich größere Unternehmen dabei sicher leichter täten als kleine. Wenn der Arbeitgeber aber den pflegenden Arbeitnehmer unterstützt, stärke das die Verbundenheit zum Unternehmen. „Die Problematik in der Pflege: Niemand weiß, wie lange sie dauert und im Gegensatz zur Kindererziehung nimmt die Belastung stetig zu.“

thumb_1a-awo200214stumpquer_becrima-Stiftungsgeneral Werner Stump knüpfte an die von Prasse geschilderte Ausgangssituation an und rief zur Eigeninitiative in der Region auf. Die mit einer Überalterung auf dem Land einhergehende „Metropolisierung“ in Ballungsräumen, der Bevölkerungsrückgang in Europa und die Globalisierung machten die lokale Verankerung in Familie, Vereinen, Kirche, Bildung, Schule und Kultur umso wichtiger. „Wir sind alle regionale Menschen“, sagte der ehemalige Landrat des Rhein-Erft-Kreises und riet, in lokalen Bezügen Veränderungen zu gestalten und dies nicht der Politik zu überlassen.

Im Rahmen der Subsidiarität könnten das Organisationen wie die AWO oder die Kirchen besser und günstiger als der Staat. „Die Selbsthilfekraft ist ein tragendes Element unserer Gesellschaft.“ Dabei komme der Vernetzung große Bedeutung zu. Das unter der Federführung des AWO-Beratungsbüros entstehende Netzwerk von Sozialpartnern aus der ganzen Verbandsgemeinde Nassau sei ein guter Ansatz, den auch die Stiftung unterstützen könne, zumal der Vorstand gerade Weichen für das Engagement im sozialen Bereich stelle.

Auch in der Förderung von Kultur, der Bildung und der Bildungschancen im vorschulischen Bereich engagiere sich die Stiftung wie bereits bekannt sei. Das gelte ebenso für die Verbesserung der Lebensverhältnisse älterer Menschen, wenn entsprechende Ideen von unten nach oben entwickelt würden. Wenn es ein Credo sei, im Alter so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden zu wohnen, dann müssten intelligente Lösungen dazu entwickelt werden. „Ein Wettbewerb der Ideen ist unausweichlich, sonst steht ein Raum still und verpasst seine Chancen“, sagte Stump. „Wenn die Stiftung bei einer solchen Bewegung im Nassauer Land Pate stehen darf, dann tut sie das gern.“

thumb_1a-awo200214weew_becrima-Anschließend diskutierten Carmen Prasse und Matthias Metzmacher in kleiner Runde die Pflegeproblematik weiter. Stefan Hauser vom Pflegestützpunkt Bad Ems-Nassau hob dabei die Bedeutung von Patienten- und Betreuungsverfügung hervor. Außerdem müsse der noch von falschen Schamgefühlen erschwerte Dialog zwischen Kindern und Eltern frühzeitig und selbstverständlicher geführt werden. Manch offenes Wort zur rechten Zeit könne da Klarheit schaffen, was sich Eltern im Pflegefall wünschen und was Kinder umgekehrt zu leisten im Stande sind.

thumb_1a-awo200214netzwerk_becrima-Im großen Saal moderierte Ralph Wick von der Stiftung Scheuern das dritte Treffen eines sozialen Netzwerks, das derzeit unter Federführung des AWO-Informations- und Beratungsbüros innerhalb des Nassauer Landes geknüpft werden soll und in dem sich auch evangelische Einrichtungen und Kirchengemeinden engagieren. Das Netzwerk plant für Herbst ein „Soziale Börse“ in Nassau, bei der sich die unterschiedlichen Organisationen vorstellen und ihr gemeinsames Anliegen präsentieren können.

Wer sich für die Arbeit des Netzwerks oder die Teilnahme an der „Sozialen Börse“ interessiert, kann sich mit dem Informations- und Beratungsbüro des AWO-Zentrums in Nassau in Verbindung setzen unter Telefon 02604-950512. Bernd-Christoph Matern