Stiftung Scheuern hilft nach Schicksalsschlag Leben meistern Drucken E-Mail

thumb_1a-integra1606-alle_becrima-thumb_1a-integra160613fenster_becrima-NASSAU/RHEIN-LAHN. (18. Juni 2013) Es war nur ein kleines Hämatom, das beseitigt werden sollte, doch die Operation ging schief und veränderte das Leben von Christiane Kächler-Kröck und ihrem Ehemann von einem auf den anderen Tag radikal. Der ehemalige Leitende Regierungsbeamte kann sich seither nicht mehr bewegen und nicht mehr sprechen. Unterstützende Hilfe fanden die Beiden in der Stiftung Scheuern, die vor knapp vier Jahren mit „Integra“ ein Rehabilitationsprojekt für Menschen mit einer Hirnverletzung ins Leben rief.

Rund 500.000 Menschen erleiden in Deutschland jedes Jahr eine Hirnverletzung. Schlaganfälle und Verkehrsunfälle sind die häufigste Ursache. „Man kommt sich von einem auf den anderen Moment vor wie ein ABC-Schütze“, erinnert sich die ehemalige Chefredakteurin an den Schicksalsschlag vor vier Jahren. „Das begann schon, als ich als Ehefrau noch nicht mal über die medizinischen Schritte bestimmen durfte, die meinem Mann zukommen sollten.“ Weil keine Vorsorgevollmacht vorlag. „Da beschäftigt sich kein Mensch damit“, weiß Kächler-Kröck heute.

Ihre Gespräche mit anderen Betroffenen in der Reha-Klinik machten deutlich: „Bei der Frage, was für den Partner das Beste ist, bleibt man sehr auf sich allein gestellt.“ Den Angehörigen zuhause zu pflegen, was für dessen Psyche und Entwicklung sicher das Sinnvollste wäre, trauten sich die meisten Menschen nicht zu, „und so sitzen ganz viele Betroffene unglücklich in einem Pflegeheim.“ Im Internet stieß sie auf das Angebot der Stiftung und nahm Kontakt auf. „Julia Tiwi kam zu uns nach Bogel gefahren und erläuterte ausführlich die Rehabilitationsmöglichkeiten der Stiftung Scheuern“, erzählt Kächler-Kröck, die zur Pflege ihres Mannes ihre Anstellung aufgab. „Von ihr habe ich mich und unsere Situation zum ersten Mal wirklich verstanden gefühlt.“

thumb_1a-integra160613-sprach_becrima-Seitdem transportiert ein Bus jeden Tag ihren Mann von Bogel nach Nassau zu den unterschiedlichsten Therapien: Hirnleistungstraining, Physio-, Psycho- und Ergotherapie, Logopädie, von Computern unterstützte Kommunikationsförderung werden im ersten Stock des Bodelschwingh-Hauses angeboten. Seelsorge, Kreativangebote und nicht zuletzt ein Wohnzimmer komplettieren die Therapie. Gerade die interdisziplinäre Zusammenarbeit, der regelmäßige Austausch aller Therapeuten über die Entwicklung ihres Mannes, sei eine wahnsinnige Unterstützung, sagt Kächler-Kröck.

„Wir legen Wert auf ein breites therapeutisches Netzwerk, mit dem die Betroffenen gefordert und gefördert werden“, erklärte Bernd Feix, Leiter des Bereichs Arbeit der Stiftung, als er zusammen mit Kächler-Kröck und Stiftungsdirektor Eckhard Bahlmann den Staatssekretär im Sozialministerium David Langner und andere Besucher des Jahresfestes durch die mit modernster Therapietechnik thumb_1a-integra160613-landrat_becrima-ausgestatteten Räume führte. Für die Politiker eine gute Gelegenheit, das Thema Rehabilitation einmal aus der Perspektive Betroffener kennen zu lernen. „Wir entscheiden ja oft sehr rational nach Zahlen“, sagte etwa Landrat Günter Kern. Ein solcher Termin sei gut, auch das Herz einzubeziehen. Landtagsabgeordneter Frank Puchtler ließ sich zeigen, wie Bewegungsmuskeln in kleinen Schritten aktiviert werden.

Staatssekretär Langner und Kern nahmen in einem Rollstuhl Platz und probierten die Bewegungsfreiheit in einer behindertengerechten Küche aus. Ermöglicht wurde die 20.000 Euro-Investition aus Mitteln der Hannelore-Kohl-Stiftung, ebenso wie andere Therapieplätze von Integra. thumb_1a-integra160613-langner_becrima-Das neue Angebot unterstreiche einmal mehr den innovativen Geist der Stiftung Scheuern, mit dem sie die Lebensbedingungen von Menschen mit einer Behinderung verbessern helfe, so der Staatssekretär. Auf einen anderen Rehabilitationszweig sowohl der Stiftung als auch des Integra-Projektes ging Heike Strack, Leiterin der Agentur für Arbeit in Montabaur, ein: arbeitspädagogische Trainingsmethoden und Förderungen, um wieder eine der Behinderung angepasste Arbeit zu finden. „Da gibt es noch viele Vorbehalte bei Betrieben“, so Strack. „Sie merken gar nicht, welch motivierte Leute sie hier gewinnen könnten.“

Zwölf Menschen mit einer Hirnverletzung werden im Bodelschwingh-Haus zurzeit tagsüber unterschiedlich lange therapiert. Die Nachfrage ist wesentlich höher. Das Nassauer Know-how auf andere Standorte im Kreis auszuweiten, wird derzeit überprüft, etwa in Lahnstein. Auch die Möglichkeit einer mehrtägigen Betreuung ist gegeben, denn für Pflegende seien Auszeiten ganz wichtig, um neue Kräfte zu sammeln. Das bestätigt Christiane Kächler-Kröck. Als sie kürzlich eine Woche verreiste, „wusste ich meinen Mann in der Stiftung Scheuern in besten Händen“. Bernd-Christoph Matern

Infos zu Integra gibt es unter der Kontakt-Hotline 0800-5887820 oder im Internet hier.

Vom 27. bis zum 29. September findet eine Fortbildung für Fachkräfte, Angehörige und Interessierte statt, die in der Assistenz und Beratung von Menschen mit erworbener Hirnschädigung tätig sind.