Studientag zur Bestattung: Luftballons aus dem Grab? Drucken E-Mail

thumb_1koventetrauer1108klRHEIN-LAHN/LAHNSTEIN. (11. Dezember) Schlager von Wolfgang Petry zur Trauerfeier, bunte Luftballons oder weiße Tauben, die aus dem Grab gen Himmel steigen – wo wird die Bestattung zur Show, wie verändern sich Ansprüche und Fragen der Angehörigen, welche „Rolle“ spielt die kirchliche Bestattung und welche Elemente machen eine evangelische Beerdigung aus? Fragen, denen jetzt die Pfarrer der evangelischen Dekanate Nassau und St. Goarshausen während eines – erstmals gemeinsamen – Studientages in Lahnstein nachgingen.

 

In mehreren Gruppen wurde unter anderem über die liturgischen Formen, musikalische Gestaltung, die seelsorgerische Begleitung nach der Beerdigung und die typisch evangelischen Elemente einer Trauerfeier nachgedacht. Was die Form anbelangt, eigne sich eine Bestattung nicht unbedingt als Spielfeld für Fantasie und Ideenreichtum des Pfarrers erklärte der Prodekan des Dekanats St. Goarshausen, Pfarrer Harald Peter Fischer, vielmehr seien feste und vertraute Rituale hilfreich für die Bewältigung der oft sprachlos machenden Trauer.

Der Nassauer Dekan Friedrich Kappesser machte den Amtskollegen Mut, die Gemeinde durchs Singen in die Feier einzubinden, einem typisch evangelischen Element der Trauerfeier. „Lieder selbst prägen und bilden Gemeinschaft und sind auch Ausdruck der Hoffnung.“ Lohnend halte er auch, über eine passende Deutung von Musikwünschen der Angehörigen nachzudenken, selbst wenn diese zunächst nicht dem Anlass gemäß erscheinen würden.

Zum evangelischen Ausdruck kirchlicher Bestattungen gehöre auch der persönliche Charakter der Ansprache, der sich auf das Leben des Verstorbenen und dessen Angehörige bezieht und dem ein Bibelwort wie ein roter Faden dient, so das Ergebnis einer anderen Arbeitsgruppe.

Vor völlig neue Herausforderungen stellt die Theologen der beiden Dekanate das Rhein-Taunus-Krematorium in Dachsenhausen. Die Pfarrerinnen Silke Funk und Astridt Westphal teilen sich zurzeit die Bestattungen, bei denen eine kirchliche Feier gewünscht wird, was relativ oft vorkommt. Der große Einzugsbereich des Krematoriums verhindere, dass die eigentlich zuständigen Gemeindepfarrer etwa aus Köln angereist kommen. Die Folge: „Trauergespräche werden am Telefon geführt“, so Silke Funk. Auch eine Nachsorge gebe es in der Regel nicht.

Einig waren sich die Theologen, an den Trauerfeiern auf dem Gelände festzuhalten ungeachtet der Probleme, die damit verbunden sind. Den Angehörigen sei dies sehr wichtig. Klar stellten die Pfarrer aber auch, dass die Einsätze kostenfrei sind und bleiben und eine kirchliche Aussegnung nicht käuflich sein kann. Die zunehmende Zahl anonymer Bestattungen und Beisetzungen außerhalb der Gemeinde, der ein Kirchenmitglied angehört, machten eine Besorgnis erregende Entwicklung deutlich, resümierte der Dekan des Dekanates St. Goarshausen, Pfarrer Mathias Moos zum Ende des Studientages. „Da merken wir, wie wichtig es ist, dass wir das Thema Tod wieder stärker in die Gemeinden hineintragen müssen.“

Über das evangelische Profil von Beerdigungen hatte am Vormittag Oberkirchenrätin Christine Noschka referiert und dabei appelliert, dass sich Kirche trotz zunehmender unternehmerischer „All-Inclusive-Pakete“ das Thema Sterben und Tod nicht aus der Hand nehmen lassen dürfe, denn sie habe die größere Kompetenz im Umgang mit dem Tod. Und: Bestattungen müssten eine öffentliche Handlung bleiben.

Angesichts einer zunehmenden Individualisierung der Gesellschaft und der damit verbundenen Spannung zwischen Tradition und Option habe „Kirche ein Wächteramt für die öffentliche Gedenkkultur“. Es gehe darum, die Würde des verstorbenen Menschen zu bewahren. Dazu zähle auch, ihn beim Namen zu nennen. Bernd-Christoph Matern