Synode tagt: Blick für Respekt und gutes Miteinander bewahren Drucken E-Mail

thumb_1a-ks040517saal_becrima-FRANKFURT/RHEIN-LAHN. (5. Mai 2017) Populismus, staatliche Glaubensprüfungen bei Flüchtlingen und Digitalisierung – das waren Themen, die der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung unter anderem am Donnerstag vor der Kirchensynode in Frankfurt ansprach. Bis Samstag beraten die 140 Synodalen im Dominikanerkloster unter anderem auch über die Jugendbildungsstätten, die Organisation der Pfarrstellen ab 2020 und die Neukonstituierung der Propsteigruppen. Erste Gespräche gab es zwischen den Landessynodalen des Dekanats Nassauer Land und denen der Propstei Rheinhessen, zu der ab Oktober auch die Rhein-Lahn-Evangelischen gehören werden.

Volker Jung hat es als eine der wichtigsten aktuellen Aufgaben der evangelischen Kirche bezeichnet, inmitten einer „nervösen Gesellschaft“ den „Blick für Respekt und ein gutes Miteinander zu bewahren“. Aus den Grundgedanken der Reformation lasse sich für heute ableiten, dass es erforderlich sei, eine Vielfalt an Meinungen und Lebensentwürfen nebeneinander zu akzeptieren, sagte er in seinem Bericht zur Lage in Kirche und Gesellschaft vor der in Frankfurt am Main tagenden Kirchensynode. Jung erteilte deshalb allen Versuchen eine Absage, einer zunehmenden Individualisierung und Pluralisierung der Gesellschaft mit simplen Versprechungen einer „Einheitskultur“ zu begegnen.

Weil die evangelische Kirche Menschen mit ihren Besonderheiten akzeptiere, dürfe sie zugleich nicht selbst auf eine „Monopol- oder Machtstellung“ drängen, ergänzte er. Jung: „Aus innerer Überzeugung lebt und vertritt die Kirche ihren Glauben in einer pluralen Gesellschaft als Option für ein sinnvolles und erfülltes Leben. Sie weiß dabei sehr wohl darum, dass es einer Kirche auch aufgegeben sein kann, in schwierigen Zeiten und unter schwierigen Bedingungen ihrem Auftrag treu zu bleiben.“

So gehört es nach Jung dazu, dass sich evangelische Kirche und die Diakonie aus der „Perspektive des Evangeliums“ besonders den Schwachen verpflichtet sehen. Sie müssten allen entgegentreten, „die in irgendeiner Form eine unterschiedliche Wertigkeit von Menschen aufgrund ihrer Abstammung, ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung, ihres Glaubens oder ihrer Weltanschauung behaupten“. Jung: „Eine Orientierung am Evangelium ist die Orientierung am Wohl aller Menschen und der permanente Widerspruch gegen die grundlegende Gefährdung des Menschen, der dazu neigt, die Welt über sich selbst und die eigenen Ansprüche und Vorstellungen in Abgrenzung gegen andere zu definieren“.

In diesem Zusammenhang kritisierte der Kirchenpräsident auch das jüngste Wahlprogramm der AfD. So seien beispielsweise die Positionen gegenüber dem Islam aus christlicher Sicht nicht vertretbar. Jung machte deutlich, dass mit Kirchenmitgliedern und Mitarbeitern das Gespräch gesucht werden sollte, wenn christliche Grundorientierungen verletzt werden oder „Personen selbst aktiv menschenverachtend und diskriminierend reden oder sogar agieren“. Es bleibt für Jung gleichzeitig klar, dass Mitgliedschaft oder Arbeitsvertrag grundsätzlich unabhängig von Parteizugehörigkeiten sind.

Nach Ansicht Jungs ist zudem im Wahljahr 2017 eine deutliche Verschärfung der Flüchtlingspolitik wahrzunehmen. Dies geschähe offenbar aus „Angst, rechtspopulistische Kräfte könnten weiter gestärkt werden“. Es sei richtig, „Flüchtlingspolitik gut und verantwortlich zu gestalten, um Chaos zu vermeiden und die gesellschaftliche Integrationskraft nicht über ein vertretbares Maß hinaus zu strapazieren“. Dazu sei es aber zugleich aus humanitärer Perspektive nötig, legale Zuwanderungsmöglichkeiten zu schaffen und die „Flüchtlingsaufnahme in europäischer Kontrolle und Solidarität zu gestalten.“

Jung begrüße deshalb ausdrücklich die geplante Resolution der Synode, die unter anderem eine „Rückkehr zu einer konstruktiven Integration von Asylsuchenden“ verlangt. Zudem bezeichnete er die zuletzt zunehmenden „Glaubensprüfungen“ seitens staatlicher Behörden bei Asylbewerberinnen und Asylbewerbern, die sich in Deutschland taufen ließen, als „völlig inakzeptabel“.

Daneben bezeichnete der Kirchenpräsident die fortschreitende Digitalisierung als wichtige Herausforderung für Kirche und Gesellschaft. So sei es für die evangelische Kirche zentral „das Evangelium in dieser Welt präsent zu halten“. Wer dies heute tun wolle, müsse dies beispielsweise auch mit den Möglichkeiten der modernen digitalen Kommunikation tun. Zugleich gehe es aber auch darum, „die gesellschaftlichen Entwicklungen durch die Digitalisierung konstruktiv-kritisch zu begleiten“. Eine ethisch entscheidende Frage der Zukunft wird nach Worten Jungs sein: „Entstehen neue, letztlich menschenfeindliche Abhängigkeiten oder werden die Chancen der Digitalisierung so genutzt, dass diese Welt freier, sozialer und gerechter wird“.

Die Effekte der digitalen Transformation mit „Stichworten wie Big Data, Künstliche Intelligenz und Robotik werden“ sich nach Ansicht Jungs auch auf das kirchliches Leben und Handeln auswirken. Aufgabe sei es, der Frage nachzugehen, wie diese „Entwicklungen menschen- und kirchengemäß zu gestalten sind.“ Kirche: Evangelium präsent halten Nach Worten Jungs hat die hessen-nassauische Kirche angesichts einer zunehmend komplexer werdenden Welt den Weg gewählt, „ein starkes Netz von Ortsgemeinden“ unter anderem mit „unterstützenden Diensten in der Gesamtkirche“ zu verknüpfen. Alle seien dabei „in eigenständiger Weise für die Präsenz des Evangeliums verantwortlich“.

Die Zukunft mit einer absehbar kleiner werdenden Mitgliederzahl „wird uns auch einiges abverlangen – vor allem bleibende Flexibilität und auch die Bereitschaft zu Veränderungen“, sagte er. Die Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen in Kirche und Diakonie sollte es allerdings nicht mit Sorge erfüllen, „dass wir kleiner werden“. In „Unruhe“ sollte sie dagegen immer die Frage halten, „ob wir das Evangelium angemessen verkündigen und in dieser Gesellschaft präsent halten“. Jung: „Im geistlichen Sinn können wir wirklich mit Gelassenheit kleiner werden, solange wir uns an unserem Auftrag orientieren. Diese Grundorientierung am Auftrag, nämlich das Evangelium zu kommunizieren, ist für uns unaufgebbar. Die Form und auch die Organisationsform, in der wir das tun, sind veränderbar und wandelbar. Dies ist eine ganz wichtige Erkenntnis der Reformation.“

Ein Bericht über die Zukunftsperspektiven der beiden großen kirchlichen Jugend-Bildungsstätten in Hohensolms bei Wetzlar und dem Kloster Höchst im Odenwald ist für Freitag vorgesehen. Am Samstag wird die Synode die Debatte über die Organisation der Pfarrstellen ab dem Jahr 2020 eröffnen. Vor allem eine bevorstehende Pensionierungswelle sowie der allmähliche Rückgang der Mitgliederzahlen infolge der Altersentwicklung machen Anpassungen notwendig.

Hintergrund Kirchensynode

Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau hat rund 1,6 Millionen Mitglieder in 1151 Gemeinden und einen aktuellen Jahresetat von 595 Millionen Euro. Ihr Territorium reicht in etwa von Biedenkopf im Norden über Lahnstein und das rechtsrheinische Mittelrheintal sowie das Rhein-Main-Gebiet bis Neckarsteinach im Süden. Fast ein Viertel des Gebiets gehört zwischen Diez und Worms auch zu Rheinland-Pfalz. Die Synode ist gemäß der Kirchenordnung das „maßgebende Organ“ der hessen-nassauischen Kirche. Sie erlässt Gesetze, besetzt durch Wahl die wichtigsten Leitungsämter und beschließt den Haushalt. Ausschüsse und regionale Arbeitsgruppen bereiten die Entscheidungen vor. Geleitet wird die Synode vom Kirchensynodalvorstand mit einem Präses. Gemäß Kirchenordnung sollen zwei Drittel der gewählten Synodalen nichtordinierte Gemeindemitglieder sein, ein Drittel Pfarrerinnen und Pfarrer. (vr)

Aktuelle Berichte über die Tagung der Kirchensynode finden Sie hier