Von Engeln geschrieben: Bl?ttern in kostbarsten Bibeln Drucken E-Mail

thumb_10-bibelbegreifenthumb_10-abibelarn2RHEIN-LAHN/KLOSTER ARNSTEIN. (30. August) Als Gutenberg noch nicht den Buchdruck erfunden hatte, waren Vervielfältigungen nur mit der Hand möglich. Eine unermessliche Fleißarbeit, die bis zum 20. September im Kloster Arnstein zu bewundern und sogar anzufassen ist. Unter dem Titel „Von Engeln geschrieben“ sind dort mehr als 150 Faksimile-Ausgaben prächtig bunt und golden verzierter Bibeln ausgestellt.

Sind Faksimiles immer nur das Zweitbeste? Die Frage stand über der Vernissage einer einzigartigen Schau mittelalterlicher Bibel-Handschriften, die der rheinland-pfälzische Innenminister Karl Peter Bruch im Kloster Arnstein eröffnete. Die kostbaren Handschriften aus dem Mittelalter sowie Vorträge von Wissenschaftlern, die in den Kunst-Metropolen der Welt zuhause sind, gibt es dort in den nächsten drei Wochen rund um das Buch der Bücher zu erleben.

thumb_10-arnsteinerbibelDiethelm Gresch aus Nochern und dem Verein Peregrini ist die einmalige kunstvolle Begegnung im Kloster zu verdanken. Gresch hatte vor Jahren eine viel beachtete Bibel-Ausstellung im wesentlich kleineren Maßstab in Berlin auf die Beine gestellt. In Obernhof hat er nach einjähriger Vorbereitungszeit und Dank vieler Sponsoren mehr als das Doppelte an historischen Bibel-Schätzen zusammengetragen. Die Gäste der Eröffnung haben es schwer, Gresch bei seiner Auflistung von Superlativen zu folgen, so mitreißend schildert er die Auswahl der Schriften, die von im 12. Jahrhundert gefertigten Arnsteiner Bibeln über das „Book of Kells“ bis hin zum Evangeliar Heinrichs des Löwen reicht.

thumb_10-bibelarnbruchInnenminister Karl Peter Bruch, zusammen mit dem Limburger Bischof Dr. Franz-Peter Tebartz-van Elst Schirmherr der Ausstellung, weist auf die Bedeutung der damaligen Auftragsarbeiten hin, die zum Einen zwar der religiösen Erbauung dienen sollten, zum Anderen aber auch politische Zwecke erfüllten und bei der Entwicklung des deutschen Nationalstaats eine Rolle spielten. „Schön, dass es Initiativen gibt, die den Blick in diese Zeit werfen“, so der Minister, „in die Kunst, aber auch in Arbeit und Leben der Menschen.“ Der Arnsteiner Superior Pater Bernhard Bornefeld freut sich, dass die tolle Ausstellung für die Begegnung so vieler Menschen sorgt.

thumb_10-bibelarnnordhofenEine Kostprobe der hörenswerten Referate, die in den nächsten Wochen den Blick auf die Bibeln vertiefen und verstehen helfen, gab Professor Dr. Eckhard Nordhofen aus Limburg. Er nimmt das „fac simile“ – „mach es ähnlich“ – genauer unter die Lupe, gibt einen ebenso anspruchsvollen wie pointierten Abriss über die theologische Bedeutung von Sprache und Schrift, Bildern und Bildnissen in der Kirchengeschichte. „Eine größere Medienrevolution als die Erfindung der Schrift hat es bisher nicht gegeben“, macht Nordhofen deutlich. Sie habe die Religions- zur Mediengeschichte gemacht und Bildung ermöglicht. Es folgen Betrachtungen über die Entwicklung des menschlichen Gottesbildes in den monotheistischen Religionen mit verständlichen Bildern. „Das Wort Brathähnchen löst Speichelfluss aus, obwohl wir das Original nicht sehen“, so der Wissenschaftler.

Am Ende steht die Feststellung, dass es für Christen nur ein Original gibt: Gott. Dessen Wort und Geist müssten – so wichtig die Schrift sein mag – Fleisch werden, im Menschen leben und wirken. „So kann Gott nie veralten wie Schriften und das Papier auf dem sie stehen.“ „Mach’ es ähnlich“ bedeute, dem Urbild möglichst nah zu kommen. „Wenn wir es erreichen würden, wären wir Götter.“

thumb_10-nikolaiDann öffnen Diethelm Gresch und Minister Bruch die Tür zum Pilgersaal, in dem es das mittelalterliche Spiel mit Schrift und Bildern zu begreifen gibt. Nikolai Hofmann aus Lahnstein zeigt wie die Kunst mit Federkiel und natürlichen Farbpigmenten aus Stein und teilweise giftigen Farbquellen aufs Papier kam. Die rund 100 Besucher der Vernissage vertiefen sich in die Exponate. Dem Aufruf Greschs mit dem Gottfried Keller-Zitat „Trink oh Auge, was die Wimper hält, von dem goldenen Überfluss der Welt“ kann noch bis zum 20. September nachgekommen werden. Bernd-Christoph Matern

Die Ausstellung ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet; Infos unter Telefon 06771/599328 und im Internet unter http://www.peregrini-arnstein.de/

Vorträge im Refektorium

Freitag, 04.09.2009
19.00 Uhr: Das Book of Kells in Bildern, Texten und Gesängen. Konzert mit dem Shamrock-Duo in der Klosterkirche

Samstag, 05.09.2009
16.00 Uhr: Prof. Dr. Martina Pippal, Wien ... sitting on Darwin’s lap – Zur „Evolution“ der Buchmalerei auf den Britischen Inseln
18.00 Uhr: Prof. Dr. Eberhard König, Paris/Berlin Zwei Heere – ein Richter. Der Hundertjährige Krieg in der Buchmalerei

Samstag, 12.09.2009
17.00 Uhr: Dr. Louis Ridez, Lille/Trier Deutsche und englische Buchmalerei um das Jahr 1000 – Trier und Winchester
19.30 Uhr: To be or not to be – Sein oder Nicht-Sein Englisch-literarischer Kultursommerabend mit dem Schauspieler Moritz Stoepel und dem Pianisten Wolfgang Nieß

Sonntag, 13.09.2009
16.00 Uhr: Prof. Dr. Harald Wolter-von dem Knesebeck, Bonn Das Evangeliar Heinrichs des Löwen und die deutsch-englischen Beziehungen
18.00 Uhr: Jochen Bepler, Direktor der Dombibliothek Hildesheim, Hildesheim Der Albani-Psalter - Ein Hauptwerk der englischen Buchmalerei in der Dombibliothek von Hildesheim

Freitag, 18.09.2009
18.00 Uhr: Dekan Hans-Otto Rether, Diez Angst und Zuversicht – Die Trinity-Apokalypse in Cambridge

Samstag, 19.09.2009
15.30 Uhr: Dr. Dieter Röschel, Krieglach Vom menschlichen Sein. Das Menschenbild im Psalter des Robert de Lisle, einem Meisterwerk englischer Buchmalerei im 14.Jahrhundert
17.00 Uhr: Dr. Maria Theisen, Wien Fantastische Begegnungen – Besondere Grisaillen: Die abenteuerlichen Reisen des Ritters Jean de Mandeville (British Library, London)

Sonntag, 20.09.2009
15.00 Uhr: Dr. Manfred Kramer, Graz/Luzern Von wunderbaren Büchern
16.00 Uhr: Diethelm Gresch, Nochern Wie die coolen Ideen Wyclifs in den heißen Flammen der Hussiten aufgingen.