Vor Heimen Scheuern erinnert Stolperschwelle an Holocaust-Opfer Drucken E-Mail

thumb_1a-stolper0111demverlegtNASSAU/RHEIN-LAHN. (28. Januar 2011) Gestern war der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. In Nassau erinnert jetzt ein besonderes Symbol an die unmenschlichen Gräueltaten. Der Kölner Künstler Gunter Demnig setzte bereits vor kurzem in der Nassauer Innenstadt Stolpersteine zum Gedenken an jüdische Familien. In dieser Woche platzierte er vor den Toren der Heime Scheuern eine Stolperschwelle im Gehweg, mit der an die Menschen erinnert wird, die von Nassau aus entweder in Konzentrationslager oder in die Tötungsanstalt nach Hadamar transportiert und dort ermordet wurden.

thumb_1a-stolper0111schwelleAn der Ecke Burgberg/Brückenstraße ließ Demnig die beschriftete Messingschwelle mit Unterstützung des städtischen Bauhofs ins Trottoir ein. „Mehr als 1000 Menschen wurden von den Nationalsozialisten zwischen 1941 und 1945 aus der zur Zwischenanstalt umfunktionierten Landesanstalt Scheuern in andere ,Heilanstalten‘ überwiesen und dort ermordet. Die meisten in Hadamar“, ist darin eingraviert und über die gesamte Gehwegbreite zu lesen.

thumb_1a-stolper0111alleDer Direktor der Heime Scheuern, Pfarrer Eckhard Bahlmann, dankte allen, die diese Form des Erinnerns ermöglicht hatten, insbesondere den Spenden der Kirchengemeinde der Heime und des Apothekers Christian Wuth aus Diez. „Das thumb_1a-stolper0111bahlmannErinnern ist uns eine Herzenssache und es ist nötig um unserer Kinder und Kindeskinder willen!“, sagte Bahlmann am Mahnmal für die Opfer im Zentrum der Heime. Auch wenn die grausigen Taten nicht ungeschehen gemacht werden könnten, sei es doch wichtig durch ein solches Symbol „ein klares Bekenntnis zum Leben“ abzugeben. „Wir können und wollen die mehr als 1300 Menschen niemals vergessen, die von hier aus auf die Todesstraße geschickt wurden.“

Bahlmann fragte, wie damals die Angestellten der Heime und die Bewohner Nassaus mit ihrem Wissen und ihren Ahnungen umgegangen seien. Vor 70 Jahren sei kein Bus mit verdunkelten Scheiben durch einen Ort gefahren, ohne beobachtet zu werden. „Das war Gesprächsstoff.“

„Kinder müssen lernen, über was sie da stolpern“, sagte Kreisbeigeordnete Gisela Bertram und sah dabei die Schulen gefordert, die Wissensvermittlung nicht auf den Geschichtsunterricht zu beschränken; es müsse vielmehr darum gehen, Betroffenheit zu wecken. Sie erinnerte an Bilder brennender Asylbewerberheime die sie 20 Jahre zuvor noch für undenkbar gehalten hätte. Der Bad Emser Stadtbürgermeister Berny Abt erinnerte an den Balkankrieg, der Anfang der 90er Jahre deutlich machte, dass auch Konzentrationslager nicht der Vergangenheit angehören. „Bei uns war noch das große Schweigen angesagt“, erklärte Karl-Werner Köpper, der für das evangelische Dekanat Nassau an der Gedenkfeier teilnahm, „gut, dass die Jugend heute wieder nachfragt.“

Vor dem Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus im Zentrum der Heime Scheuern hatten sich viele Bewohner, thumb_1a-stolper0111demnigBürgermeister der Nachbargemeinden, ein Vertreter der jüdischen Gemeinde Koblenz und Besucher versammelt, um mitzuerleben wie Gunter Demnig die Stolperschwelle verlegte. Der Künstler selbst wies auf seine positiven Erfahrungen der Aktion in den vergangenen 20 Jahren hin, nachdem er 27000 Stolpersteine an 611 deutschen und europäischen Orten verlegt hat. Gerade für Jugendliche bleibe die Zahl von sechs Millionen Ermordeten sehr abstrakt, während die Beschäftigung mit einzelnen Schicksalen bei ihnen aber sehr wohl Interesse und Betroffenheit wecke. „Da stellen sie fest: der Junge, der da ermordet wurde, ist ja genauso alt wie ich heute.“ Und er wies auf einen Umstand hin, der ihm erst richtig bewusst wurde, nachdem der erste Stein gesetzt war: „Die Menschen müssen sich nach unten und damit vor den Opfern beugen, um die gravierte Inschrift zu lesen.“

Im Versammlungsraum der Heime Scheuern spiegelt derzeit eine Ausstellung das damalige Leben in der „Anstalt Scheuern“ wider. Sie zeigt Bilder aus dem Alltag, aber auch Fotos, die eng mit der nationalsozialistischen Herrschaft und ihren Gewalttaten in Verbindung stehen. Bernd-Christoph Matern